Arbeitslosenversicherung: Keine Neuregelung beim Arbeitslosengeld für Kulturschaffende
Die große Koalition wollte die kreativen Berufe für den Fall der Arbeitslosigkeit besser absichern. Doch daraus wird nun nichts.
Viele Kulturschaffende und Kreative in Deutschland sind trotz Beitragszahlungen nicht über die Arbeitslosenversicherung abgesichert. Wenn ihre kurzzeitigen Engagements enden, haben sie in der Regel keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Schauspieler sind davon ebenso betroffen wie Kameraleute, Tontechniker, Maskenbildner, Dekorateure oder Regisseure. Für all diese Berufsgruppen wollte die große Koalition eine bessere soziale Absicherung schaffen. Doch dazu wird es in dieser Wahlperiode nun nicht mehr kommen.
SPD und Union hatten im Koalitionsvertrag eine bessere Absicherung von Kulturschaffenden versprochen
Dabei hatten SPD und Union im Koalitionsvertrag versprochen, dass es beim Arbeitslosengeld eine Regelung geben werde, „die den Besonderheiten von Erwerbsbiographien in der Kultur hinreichend Rechnung trägt“. Doch die Regierungsparteien haben die Reform vertagt. Anfang Juni soll im Bundestag lediglich eine Sonderregelung für Künstler und andere kurzzeitig Beschäftigte verlängert werden, die allerdings so ausgestaltet ist, das kaum jemand davon profitiert. So wurden im letzten Erhebungszeitraum von April 2014 bis März 2015 lediglich 295 Anträge bewilligt. „Von den 40 000 potenziell Anspruchsberechtigten werden nur 0,7 Prozent erreicht“, kritisiert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Brigitte Pothmer. Das bürokratische Verfahren schließe die meisten flexibel Beschäftigten vom Arbeitslosengeld aus. „Eine Reform der Sonderreglung wäre bitter nötig“, mahnt Pothmer.
Mit den Hartz-Reformen waren 2003 die so genannten Rahmenfristen in der Arbeitslosenversicherung verkürzt worden. Seitdem müssen Arbeitnehmer innerhalb von zwei Jahren mindestens ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben. Vorher hatten sie drei Jahre Zeit, um Anwartschaften zu erwerben. Für viele Kulturschaffende, deren Arbeitsverhältnisse oft auf wenige Wochen oder Monate befristet sind, ist das nicht zu schaffen.
Die Sonderregel für kurzzeitig Beschäftigte schafft keine Abhilfe
Auch die 2009 eingeführte Sonderregelung für kurzzeitig Beschäftigte schafft bisher keine Abhilfe. Danach haben diejenigen Anspruch auf Arbeitslosengeld, die in den letzten beiden Jahren mindestens sechs Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Die Leistung wird aber nur gewährt, wenn darüber hinaus die Beschäftigungsdauer überwiegend unter zehn Wochen lag und ein Jahresverdienst von gut 30 000 Euro nicht überschritten wird. Unter den Arbeitsbedingungen der Branche sei das nicht zu schaffen, monieren Berufsverbände.
In einer Stellungnahme für den Arbeitsausschuss, die der Anwalt Steffen Schmidt-Hug für die Verbände geschrieben hat, heißt es, durch die Zehn-Wochen-Grenze würden bestimmte Berufsgruppen systematisch ausgeschlossen. Davon seien etwa Schauspieler am Theater betroffen, die für die Dauer eines Stücks oder einer Gastspielzeit verpflichtet würden. Aber auch für Filmkünstler hinter der Kamera sei die Regelung gravierend, weil bei einem Fernseh- oder Kinofilm die Beschäftigungsdauer oft mehr als zehn Wochen betrage, dafür aber nur zwei Projekte im Jahr machbar seien.
Deutliche Kritik üben die Verbände auch an der Verdienst-Grenze. Selbst wenn jemand auf die erforderlichen Beschäftigungszeiten komme, könne es passieren, dass er wegen der hohen Zahl von Überstunden über dem „erlaubten“ Jahresverdienst lande – und somit von der Regelung ausgeschlossen werde. „In ihren Beschäftigungszeiten zahlen diese Leute erhebliche Beiträge in die Arbeitslosenversicherung ein. Sie bekommen aber keinen Cent heraus“, sagt Michael Neubauer, Geschäftsführer des Berufsverbands Kinematografie, der Kameramänner und -frauen in Deutschland vertritt. „Für viele ist das enorm frustrierend“, berichtet Neubauer.
Grünen-Arbeitsmarkexpertin Pothmer will "Gerechtigkeitslücke" schließen
Auch die Arbeitsmarktexpertin Pothmer hält dies für „Gerechtigkeitslücke“, die geschlossen werden müsse. Die Grünen schlagen deshalb vor, schon nach vier Monaten Beitragszeit einen zweimonatigen Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen. Mit der Dauer der Beitragszahlung soll auch die Anspruchsdauer steigen. Das schaffe „mehr Beitragsgerechtigkeit“ und erreiche die Betroffenen tatsächlich, sagt Pothmer.