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An der «Gedenkstätte Berliner Mauer» ist die Grenze Geschichte - doch weltweit werden wieder Mauern hochgezogen.
© Amira Mortada/dpa

Gedenktag für Mauertote: Keine Mauer ist alternativlos

Mauern sind plumpe Konstruktionen gegen komplexe Probleme - heute am Mittelmeer wie damals im geteilten Deutschland. Ein Kommentar.

Es ist geradezu bizarr: Ausgerechnet die Überbleibsel der Berliner Mauer sind zur Sehenswürdigkeit und Selfie-Kulisse für fröhliche Touristen geworden. Bis zur ihrer Demontage war die Mauer, deren Bau am 13. August vor 56 Jahren begann, schließlich bitteres Symbol eines geteilten Deutschlands, des Kalten Krieges und der Brutalität eines diktatorischen Regimes. Heute wirken ihre Reste wie ein archaisches Relikt. Ihr Schrecken verblasst im Alltag, er wird fast nur noch durch Zeitzeugen-Berichte oder historische Bilder vermittelt.

Die Idee einer Mauer als Instrument der Politik schien lange Zeit nicht vereinbar mit der freien, globalisierten Welt. Doch heute haben Grenzmauern und -zäune Hochkonjunktur, auch in der westlichen Welt. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurden weltweit noch nie so viele Grenzmauern und -zäune hochgezogen, wie in den vergangenen beiden Jahren.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und dem daraus resultierenden Gefühl der Unsicherheit begann sich der Mauerbau zur Grenzsicherung zu etablieren und breitet sich seitdem aus. Donald Trump ist derzeit der Bekannteste, aber beileibe nicht der Einzige, der mit dem Bau einer Mauer versucht, das eigene Land von Asylsuchenden und Flüchtlingen frei zu halten und sich dafür Zuspruch von Wählern erhofft. In Europa gehen Populisten wie Viktor Orban, Marine Le Pen oder Heinz-Christian Strache damit auf Stimmenfang. Ihr Versprechen: Sicherheit und Erhalt des Wohlstandes. Isolierung als Schutzschild. Es sind leere Versprechen. Und gefährliche.

Die Mauer ist ein plumpes Konstrukt gegen komplexe Probleme

Denn die Mauer war nie nur Wahrzeichen innerer Sicherheit, sondern vor allem Symbol der Repression und Abgrenzung. Sie ist die plumpe Antwort auf komplexe Probleme. Die Berliner Mauer wurde zwar offiziell als „antifaschistischer Schutzwall“ gebaut, diente dem DDR-Regime aber in Wirklichkeit als letztes Mittel, um die Flucht der eigenen Bürger und damit das wirtschaftliche Ausbluten zu verhindern. Das war keine Machtdemonstration, sondern das Eingeständnis von Schwäche, das durch Gewalt kaschiert wurde. Die Mauern und Zäune, die im Zuge der Flüchtlingskrise in Europa entstanden, zeugen von ähnlicher Hilflosigkeit. Sie schützen nicht vor Gefahren, sie schaffen eher welche.

1981: Zwei Kinder im Gummiboot mit selbst gebasteltem Segel im Neuköllner Landwehrkanal vor der Berliner Mauer.
1981: Zwei Kinder im Gummiboot mit selbst gebasteltem Segel im Neuköllner Landwehrkanal vor der Berliner Mauer.
© imago/Günter Schneider

Eine Mauer oder ein Grenzzaun werden die Migration nicht verhindern, sondern sie allenfalls erschweren. Wird eine Route geschlossen, finden Menschen eine andere. Das tägliche Sterben im Mittelmeer – der Todesstreifen Europas – und die Macht der Schlepperbanden sind auch der Festung Europa geschuldet. Die Flüchtlingsfrage ist keine Naturkatastrophe, man sollte also auch nicht mit entsprechenden Schutzmechanismen auf sie reagieren. Eine Mauer ersetzt keine kluge und langfristig angelegte Flüchtlingspolitik. Sie bündelt Elend und schafft Flüchtlingslager wie das im griechischen Idomeni oder den „Dschungel von Calais“ in Frankreich.

Natürlich ist die Politik angesichts der Herausforderungen in enormem Zugzwang. Alternativlos ist die Mauer aber keineswegs. Der Bau ist vielmehr ein Reflex, der die gemeinsamen politischen Fortschritte und Errungenschaften der vergangenen 70 Jahre gefährdet. Genau wie die Berliner Mauer, halten auch die heutigen Grenzmauern viele Menschen in Ungerechtigkeit gefangen. Es sollte keine 28 Jahre dauern, bis sie ihren Schrecken verlieren.

Max Tholl

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