Politik: Katholische Kirche gibt jedem Missbrauchsopfer bis zu 5000 Euro
Bischofskonferenz erteilt mit ihrem Entschädigungsmodell den Plänen der Regierungsbeauftragten Bergmann eine Absage
Berlin - Nach dem Jesuitenorden und dem bayerischen Kloster Ettal hat am Mittwoch auch die Deutsche Bischofskonferenz ein Angebot zur Entschädigung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgelegt. Danach sollen Betroffene bis zu 5000 Euro erhalten. In besonders schweren Fällen kann es einen Zuschlag geben.
Alle Personen, die als Minderjährige von Klerikern, Ordensleuten oder anderen kirchlichen Mitarbeitern sexuell missbraucht wurden, können ab 10. März einen Antrag stellen. Eine eidesstattliche Erklärung genügt. Eine Koordinierungsstelle bei der Bischofskonferenz soll die Anträge prüfen. Die Täter persönlich sollen für die Entschädigung aufkommen. Sofern sie nicht mehr belangt werden können oder sich weigern, sollen die Bistümer zahlen. Die Bischöfe gehen von etwa tausend Opfern in ihrem Bereich aus.
Außerdem will die katholische Kirche Therapiekosten übernehmen, wenn die Krankenkassen nicht zahlen. Gedacht ist an maximal 50 Sitzungen à 100 Euro oder maximal 25 Stunden Paartherapie. Auch wollen die Bischöfe einen Präventionsfonds mit 500 000 Euro auflegen, aus dem Projekte in Bistümern und Schulen finanziert werden können.
Am Mittwoch hat sich erstmals eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ bei der Bundesregierung mit der Frage von Entschädigung und Hilfen für Opfer beschäftigt. Die Gruppe tagte unter der Leitung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Am Runden Tisch sind Bund, Länder, die Kirchen, Kinderschutzverbände und Sportverbände vertreten.
Christine Bergmann, die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, will alle Missbrauchsopfer aus den Jahren 1949 bis 2010 einbeziehen, die aufgrund der Verjährungsfristen keine Möglichkeit haben, Schadenersatz oder Schmerzensgeld einzuklagen. Bei der Tagung am Mittwoch stellte sie drei Entschädigungsmodelle zur Diskussion: Jede Institution entschädigt ihre eigenen Opfer oder alle zahlen in einen gemeinsamen Fonds ein. Die dritte Variante wäre ein Mischform: Jede Institution zahlt den eigenen Opfern einen einmaligen Pauschalbetrag, und alle zahlen zusätzlich in einen gemeinsamen Hilfsfonds für Therapie- und Beratungsleistungen ein. Um konkrete Entschädigungssummen ging es am Mittwoch nicht. „Wir wollen keine Erwartungen wecken, die vielleicht nicht erfüllt werden können“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Man sei bei der Diskussion stehen geblieben, wie ein Hilfsfonds aussehen könnte, ergänzte Bergmann. Beide appellierten an die „gemeinsame Verantwortung“ für die Opfer. „Missbrauch findet in nahezu jeder Einrichtung statt und in vielen Familien“, sagte Bergmann.
Doch wie es aussieht, kommt für die katholische Kirche eine gesamtgesellschaftliche Lösung nicht in Frage. Da eine Regelung am Runden Tisch „nicht absehbar“ sei, sehe man sich in der Verpflichtung, den Opfern „schon jetzt eine möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe anzubieten“, rechtfertigte die Bischofskonferenz ihren Vorstoß. Er bedeute „keine Absage an möglicherweise vom Runden Tisch noch zu entwickelnde Lösungen“. Allerdings würden die Bischöfe lediglich in einen Präventionsfonds einzahlen, stellte Bischofskonferenz-Sprecher Matthias Kopp klar. Von einem Präventionsfonds war bei der Tagung des Runden Tisches am Mittwoch gar keine Rede.
Die Beteiligung an einem Hilfsfonds sei ausgeschlossen, sagte Kopp. „Die Übernahme von Kosten für Therapien ist in unserem Bereich bereits gegeben.“ Damit dürfte auch Bergmanns Mischmodell vom Tisch sein.
Völlig offen ist auch, wer für die Opfer familiären Missbrauchs zahlen soll. „Da kommt nur der Staat infrage“, sagte Christine Bergmann. „Die Bundesregierung hat bei der Einsetzung des Runden Tisches ausdrücklich den familiären Bereich miteinbezogen“, erwiderte Leutheusser-Schnarrenberger, „jetzt muss geprüft werden, was das konkret bedeutet“.
Allerdings kann im Moment niemand abschätzen, wie viele Betroffene es überhaupt gibt, wie viele Menschen auf Entschädigungszahlungen oder andere Hilfen Anspruch hätten. Auch was den Missbrauch im familiären Bereich angeht, gebe es keine verlässlichen Zahlen, sagte Bergmann. Bei der Hotline der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung haben sich seit Ende Mai 2010 bereits 9000 Menschen gemeldet. Am Anfang berichteten die Anrufer überwiegend von Vorfällen in kirchlichen oder staatlichen Einrichtungen. Jetzt berichten 67 Prozent der Anrufer, ihnen sei in der Familie Gewalt angetan worden.
Claudia Keller
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