Druck auf Angela Merkel vor der China-Reise: Kanzlerin in heikler Mission
Hongkong-Aktivisten wollen Merkel bei ihrer China-Reise treffen. Die deutsche Wirtschaft pocht auf eine Seidenstraßen-Beteiligung. Die Lage vor dem Besuch an diesem Donnerstag.
Vor ihrer zwölften China-Reise wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sich eindeutig zu den Demokratie-Protesten in Hongkong zu positionieren. „Uns steht eine diktatorische Macht gegenüber, die keine freiheitlichen Grundrechte zulässt“, heißt es in einem offenen Brief an Merkel, der dem Tagesspiegel vorliegt. Unterschrieben ist er von den Protestführern um Joshua Wong.
Es gebe die Gefahr eines neuen Massakers wie am Tian’anmen-Platz. 1989 schlugen Soldaten am Platz des Himmlischen Friedens in Peking die friedliche Demokratiebewegung blutig nieder. Sie fordern ein Treffen mit Merkel – und erinnern an die weltweite Unterstützung für die DDR-Bürgerrechtsbewegung vor 30 Jahren. „Heute können Sie uns in einem weiteren Kampf gegen die Unterdrückung der Freiheit helfen.“
Die frühere britische Kronkolonie Hongkong genießt einen Sonderstatus mit weitgehender Autonomie und Freiheitsrechten, bei der Rückgabe der britischen Kolonie Hongkong an die Volksrepublik 1997 war das Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ garantiert worden. Nach monatelangen Protesten nahm Hongkongs Regierung vor Merkels Reise den Entwurf für ein umstrittenes Gesetz zurück, das Auslieferungen nach China ermöglicht hätte, obwohl dessen Justizsystem nicht unabhängig ist und oft als Mittel politischer Verfolgung benutzt wird.
Sorge um Cybersicherheit
Die andauernden Proteste haben Hongkong in seine bislang schwerste Krise gestürzt. Zuletzt wurde 13 Wochenenden in Folge demonstriert – zum Teil mit Hunderttausenden bis zu mehr als einer Million Teilnehmern. Die Proteste endeten häufig in Zusammenstößen mit der Polizei. Die sieben Millionen Hongkonger befürchten steigenden Einfluss der chinesischen Regierung auf Hongkong und eine Beschneidung ihrer Freiheitsrechte.
Merkel wird bei ihrer von Donnerstag bis Samstag geplanten Reise von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet. Die Unternehmen beklagen wiederum zunehmende Hürden bei Geschäften in China. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte von Merkel, sich dafür einzusetzen, dass auch deutsche Unternehmen beim Milliardenprojekt einer „Neuen Seidenstraße“ einen Zugang zu Aufträgen bekommen.
Sorgen bereite zudem ein Cybersicherheitsgesetz, „welches die Speicherung von Firmendaten in China regulieren soll“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier dem Tagesspiegel. Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht seit Längerem eine gefährliche Tendenz zu einer Marktabschottung und Ungleichbehandlung nicht-chinesischer Unternehmen. Mit massiven Subventionen und politischem Druck zu Fusionen käme es zu Wettbewerbsverzerrungen. China wiederum beklagt sich, dass zum Beispiel beim Aufbau der 5G-Mobilfunknetze in Europa dem Huawei-Konzern ständig Steine in den Weg gelegt würden.
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, meinte, Merkel hätte zum jetzigen Zeitpunkt wegen Hongkong die Reise absagen müssen. „Das brutale Vorgehen gegenüber Demonstranten in Hongkong und Chinas kontinuierliche Verletzung von Bürger- und Menschenrechten bieten keine Grundlage für Gespräche, die sich ausschließlich mit der Verbesserung von Handels und Wirtschaftsbeziehungen beschäftigen“, sagte der FDP-Politiker.