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Beleuchtungs-Affäre mit Ungarn: „Kann nicht sein, dass jetzt alle vor der Regenbogenflagge salutieren müssen“

Der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft, Gerhard Papke, kritisiert eine Diffamierung Ungarns - und sieht eine hohe Messlatte für die WM in Katar.

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Gerhard Papke (60) saß viele Jahre für die FDP im NRW-Landtag, von 2005 bis 2012 war er auch FDP-Fraktionschef. Heute ist er Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft.

Herr Papke, Sie haben sich klar gegen die Regenbogen-Farben zum Spiel gegen Ungarn positioniert, es gibt Forderungen aus ihrer Partei, dass Sie wegen Ihrer Orban-freundlichen Haltung die FDP verlassen sollen. 
Ach, da hilft mir meine rheinische Gelassenheit. Ich war über Jahrzehnte ein enger Weggefährte von Guido Westerwelle und habe ihn auch öffentlich immer verteidigt, wenn er angegriffen wurde. Mir muss keiner erklären, was Liberalität ist. Aber es wundert mich schon, wie gering innerparteiliche Meinungsvielfalt in der FDP heute geschätzt wird. Zu Guidos Zeiten war das noch anders.

War es klug von deutscher Seite, die Beleuchtung des Stadions so zu verquicken mit der Politik in Ungarn?
Die Frage ist doch, warum man so ein Zeichen nicht zum Frankreich-Spiel setzen wollte. Dann wäre das eine andere Debatte gewesen. Der Antrag im Münchner Stadtrat ist aber von vornherein ausdrücklich mit der Stoßrichtung gegen Ungarn begründet worden. Das Ganze war eben nicht geplant als allgemeine Aktion für Diversität und Liberalität, sondern als politische Demonstration gegen Ungarn. Und damit hätte man die Ungarn vor der Weltöffentlichkeit entwürdigt und bloßgestellt. Ein Land, dem wir Deutsche so viel zu verdanken haben. Ist das jetzt die neue Form deutscher Gastfreundschaft? Wenn man so mit anderen Ländern umgeht, hat man bald keine Freunde mehr.

Naja, aber von der FDP bis zur Unions-Führung wird das anders gesehen, da wurde die geplante Aktion ja unterstützt.
Kein kultivierter Mensch kann ernsthaft dagegen sein, dass Schwule und Lesben so leben dürfen, wie sie es wollen. Ihr Freiheitsanspruch ist voll und ganz berechtigt, und zwar weltweit.

Aber es kann auch nicht sein, dass jetzt alle Leute ständig vor der Regenbogenflagge salutieren müssen. Mit ihr verbindet sich inzwischen ein Machtanspruch, dem auch einmal Grenzen zu setzen sind. In der Politik traut sich das aber kaum noch jemand. Wenn mir Leute schreiben, es wäre ihnen am liebsten, wenn die deutsche Mannschaft im Regenbogen-Trikot auflaufen würde, wird das die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in unserer Gesellschaft nicht erhöhen, sondern Leute verschrecken.

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Unterstützen Sie die entsprechende Gesetzgebung in Ungarn, die Sexualkunde-Inhalte verbietet, die von der heterosexuellen Lebensweise abweichen?
Viele, die Ungarn Homophobie vorwerfen, kennen scheinbar die Sachlage überhaupt nicht. Es gibt in Ungarn das Institut der eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ähnlich wie in Deutschland. Schwule und Lesben können in Ungarn sicher leben, ganz im Gegenteil zu vielen islamischen Ländern, wo Frauenrechte und Homosexuelle nichts gelten.

Es empört mich, dass die deutsche Politik dort immer kuscht, aber die Ungarn als unsere Gäste jetzt auf die öffentliche Anklagebank gesetzt werden.

Was die aktuelle Gesetzgebung angeht, so geht es dort ja nicht um Einschränkungen für erwachsene Homosexuelle, sondern darum, wie weit gehen die Elternrechte und wie weit geht die Sexualaufklärung in der Schule? Das Parlament in Ungarn hat entschieden, den Elternwillen zu stärken. Ich kenne übrigens auch durchaus liberale deutsche Eltern, denen es nicht wirklich gefällt, was ihren Kindern bei uns in der Schule so alles über Sexualität erzählt wird. 

Stein des Anstoßes. Die Hülle der Allianz Arena leuchtet anlässlich des Christopher Street Days 2016 erstmals in Regenbogenfarben. Foto: Tobias Hase/dpa
Stein des Anstoßes. Die Hülle der Allianz Arena leuchtet anlässlich des Christopher Street Days 2016 erstmals in Regenbogenfarben. Foto: Tobias Hase/dpa
© dpa

Der Protest ist aber auch in Ungarn enorm und Viktor Orbán spaltet Europa.
Seien wir doch ehrlich: Der Kern der massiven Orbán-Kritik liegt darin, dass einigen Parteien in Deutschland und Westeuropa die ganze Richtung der ungarischen Regierungspolitik nicht passt. Ungarn hat sich der Massenzuwanderung entgegen gestellt. Ungarn will ein dezentrales Europa der Vaterländer und keinen europäischen Bundesstaat mit immer mehr Brüsseler Befugnissen. Damit macht man sich in Berlin und Brüssel keine Freunde. Dabei sind die Ungarn überzeugte Europäer. Wir sollten unterschiedliche Haltungen der Ungarn nicht immer als Bedrohung empfinden, sondern als Chance für die nötige Debatte über den besten Weg für Europa. 

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Wie wird der Fall in Ungarn aufgefasst?
Deutschland wird in Ungarn wirklich bewundert. Die Ungarn mögen Deutschland. Aber ich merke, dass sich diese Zuneigung der Ungarn langsam abkühlt, auch bei Leuten, die eher Gegner von Orbán sind. Das Gefühl ist: Wir werden von oben herab behandelt. Die Deutschen gehen nicht partnerschaftlich mit uns um, sondern behandeln uns ständig wie unmündige Kinder.

Ich wundere mich, dass gerade wir Deutschen uns berufen fühlen, anderen Ländern aus der Mitte Europas permanent erklären zu müssen, was ein Rechtsstaat ist. Die Ungarn sind ein freiheitsliebendes Volk. Sie haben hart für ihre Freiheit gekämpft und brauchen von uns keine Nachhilfe, wie Demokratie funktioniert. Etwas mehr Bescheidenheit angesichts unserer eigenen deutschen Geschichte wäre vielleicht ganz angemessen.

Was folgt aus der Debatte für die WM in Katar?
Da dürfen wir alle wirklich gespannt sein. Jetzt haben der DFB und die deutsche Politik, die alle so wortstark aufgetreten sind gegenüber Ungarn, die Latte sehr hoch gelegt. Also ich bin ich bin sehr gespannt, ob man, wenn die Weltmeisterschaft in einem wirtschaftlich einflussreichen Land gespielt wird, wo Homosexuelle wirklich verfolgt und unterdrückt werden, den Mut hat, mit einer Kampagne ein starkes Signal für Frauenrechte und Diversität zu setzen. Es wäre blamabel, wenn der Heldenmut verschwindet, wenn man nicht gerade ein kleines Land wie Ungarn zu Gast hat.

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