Justin Trudeau gratuliert: Kanadischer Premier bietet Trump Kooperation an
„Kanada hat keinen engeren Freund, Partner und Alliierten als die USA“, sagte Trudeau. Den kanadischen Premier und Trump verbindet wenig.
Millionen Kanadier haben bis weit nach Mitternacht ausgeharrt, um die Wahlberichterstattung aus den USA zu verfolgen. Der größte Teil von ihnen war vermutlich schockiert, als sich der Sieg von Donald Trump und die Niederlage von Hillary Clinton abzeichneten.
Premierminister Justin Trudeau gratulierte Donald Trump am Mittwoch. „Kanada hat keinen engeren Freund, Partner und Alliierten als die USA“, sagte er. Seine Regierung sei zu einer engen Zusammenarbeit mit Trump, dessen Regierung und dem US-Kongress bei Themen wie Handel, Investitionen und internationaler Frieden und Sicherheit bereit. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien ein „Modell für die Welt“. Die gemeinsamen Werte, die engen kulturellen Bindungen und starken, integrierten Volkswirtschaften blieben die Basis für die Fortentwicklung „unserer starken und prosperierenden Partnerschaft“.
Trudeau hatte sich in den vergangenen Wochen sehr zurückgehalten, wenn er auf Trump und dessen Ausfälle vor allem gegen Frauen angesprochen wurde. Er werde mit demjenigen, der gewählt werde, im Interesse Kanadas zusammenarbeiten, hatte er in den Tagen vor der Wahl erklärt, als es nicht mehr ausgeschlossen schien, dass Trump den Sieg davontragen könnte. Seine Stellungnahmen in den Monaten zuvor hatten allerdings deutlich gemacht, dass er anderes Verständnis von Politik hat.
Trudeau ist gegen Ausgrenzung und die Errichtung von Mauern
Die beiden Politiker verbindet wenig. In Mentalität und Temperament sind sie grundverschieden: Der US-Politiker wirkt häufig aggressiv, Trudeau gilt dagegen als Mann des Ausgleichs, der das Gespräch sucht, verbindlich auftritt und sich als Feminist bezeichnet. Hinzu kommen die Unterschiede in politischen Fragen. Trudeau ist gegen Ausgrenzung und die Errichtung von Mauern, er befürwortet Immigration, ethnische und kulturelle Vielfalt sowie Freihandel, wie sich erst jüngst bei seinem Einsatz für das kanadisch-europäische Abkommen Ceta zeigte. Trudeau ist für das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta mit den USA und Mexiko, das Trump ablehnt.
Der kanadische Regierungschef setzte sich für das Pariser Klimaabkommen ein, aus dem Trump nun trotz der Unterschrift des Noch- Amtsinhabers Barack Obama aussteigen will. Ob Kanada seine Klimapolitik mit der Einführung einer CO2-Steuer umsetzen kann, wenn dies kanadische Unternehmen gegenüber Konkurrenten in den USA benachteiligen würde, scheint nun offen zu sein. Auch aus der zwischen Trudeau und Obama vereinbarten nordamerikanischen Energie- und Klimastrategie wird nun voraussichtlich nichts. Zudem hat sich Trump für den Bau der umstrittenen Keystone-XL-Pipeline ausgesprochen, die Öl aus den Ölsandfeldern Albertas in die USA bringen soll. Obama hatte den Pipelinebau aus klimapolitischen Erwägungen blockiert.
Kanada wird Trump wohl nicht so herzlich empfangen wie Obama 2009
Interessant ist, dass Trump in seiner Rede Investitionen in die Infrastruktur und Hilfen für die Mittelschicht ausdrücklich betonte. Dies ist auch ein besonderes Anliegen von Trudeau. Dennoch dürften Kanada und die USA in vielen Bereichen nicht am gleichen Strang ziehen: vor allem beim Handel, im Klimaschutz und in der Außenpolitik. Politische Beobachter in Ottawa werden gespannt darauf achten, ob es in den Reihen der republikanischen Mehrheit im Kongress genügend Politiker gibt, die Trump davon abhalten, all das umzusetzen, was er angekündigt hat.
Rosemary Barton vom Sender CBC wies darauf hin, dass US-Präsidenten oft ihre erste Auslandsreise nach Ottawa unternehmen. Dies hatte Barack Obama, der in Kanada äußerst beliebt ist, kurz nach seinem Amtsantritt im Februar 2009 getan und war von den Kanadiern begeistert empfangen worden. Dies wird Trump, sollte er kommen, wohl nicht erleben.
Die Website des kanadischen Einwanderungsministeriums war am Wahlabend stundenlang lahmgelegt. Die Ursache für den „Internal Server Error“ war zunächst nicht eindeutig zu bestimmen. Vermutet wird aber, dass sie durch Anfragen aus den USA, wie man nach Kanada einwandern könne, überlastet gewesen sein könnte. Was vor der Wahl als Witz galt, könnte nun Realität werden – dass US-Amerikaner, die nicht unter Trump leben wollen, ernsthaft den Wechsel nach Kanada erwägen. Gerd Braune