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Jüngere Frauen könnten die Ersten sein, für die sich der Bildungsvorsprung in mehr Geld und ein Mehr an Gleichheit umsetzt.
© Franziska Kraufmann, dpa

Internationaler Frauentag: Kämpfen lohnt sich

Was die Gleichstellung der Frauen angeht, hat sich einiges verändert. Aber das, was in Jahrzehnten erreicht wurde, ist jetzt bedroht. Ein Kommentar. 

Frauentag 2018: In den Aufsichtsräten der großen Unternehmen steigt die Zahl der Frauen. Die Lücke zum Männerlohn ist in den vergangenen 30 Jahren um gut zehn Prozentpunkte auf 16 Prozent geschrumpft, am stärksten sogar bei den Niedriglöhnen. Mehr Frauen denn je, fast drei Viertel, leben von ihrem eigenen Einkommen. Vor zehn Jahren traf das noch auf nicht ganz zwei Drittel zu.

Frauentag 2018, die andere Seite: Da, wo die richtige Macht in den Unternehmen liegt und keine Quote vorgeschrieben ist, in den Vorständen, ändert sich gar nichts. Und ganz oben ist auch der Gender Pay Gap noch immer der größte, er hat sich in drei Jahrzehnten nur leicht reduziert. Noch immer ist die Arbeitsstunde einer sehr gut bezahlten Frau ein knappes Viertel weniger wert als die eines Mannes. Dicht gefolgt vom unteren Ende der Skala: Niedriglöhnerinnen bekommen nach wie vor ein Fünftel weniger als Niedriglöhner, und so stieg das Armutsrisiko von Frauen in den vergangenen zehn Jahren um etwa 50 Prozent.

Für jüngere Frauen sieht es besser aus

Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt dennoch, dass das Glas eher nicht halb leer, sondern ein bisschen mehr als halb voll ist. Für jüngere Frauen sieht die Lage auf allen Ebenen besser aus, sie könnten die Ersten sein, für die sich der Bildungsvorsprung in mehr Geld und ein Mehr an Gleichheit umsetzt. Übrigens ganz unabhängig davon, ob sie aus urdeutschen oder eingewanderten Familien stammen, vorausgesetzt, dass Bildungssystem und Arbeitsmarkt Letztere nicht wegen ihrer Namen, der Hautfarbe oder auch eines Kopftuchs diskriminieren.

So weit die ökonomische Seite, die Basis der Gleichheit. Ohne wirtschaftliche Unabhängigkeit ist – nicht nur für Frauen – ist an Emanzipation nicht zu denken. Die kulturelle, das Feld der Leitbilder und Werte, sieht ähnlich gemischt aus: Während die Filmbranche unter Druck steht, die Castingcouches abzuschaffen und auch auf der Leinwand zu quotieren, rasselte der Frauenanteil im Bundestag von 2013 bis 2017 um sechs Prozentpunkte nach unten, so rasant wie nie zuvor. Er liegt jetzt bei nicht mal einem Drittel. Die Fraktion am rechten Rand will wieder Politik im Sinne der angeblich naturgegebenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen machen, und im Jahr 2018 diskutiert der Bundestag – und nicht nur rechtsaußen –, ob Frauen das Recht haben, sich offen darüber zu informieren, wo sie legal abtreiben können.

Die Enttäuschung der Feministinnen

Ob es eine Gefahr ist, dass die AfD Deutschland geschlechterpolitisch auf den Weg zurück führen will? Frau könnte sich auch ermutigt sehen: Anscheinend ist so viel erreicht, dass auf Seiten derer, die das fürchten, Panik ausbricht. Gegen diese Art Ängste wird kein Heimatministerium helfen, die Heimat, die viele nicht zuletzt in geordneten Geschlechterverhältnissen sehen, lässt sich nicht mit Alpenpanoramen herbeitapezieren.

Die Enttäuschung und Wut gerade älterer Feministinnen ist verständlich: Sie sehen das, wofür sie seit Jahrzehnten mit gutem Erfolg gekämpft haben, in Gefahr, durch Einwanderer aus geschlechterhierarchischen Herkunftskulturen ebenso wie durch die, die auf der rechten Seite ihren Rassismus mit der Würde der Frau begründen, die angeblich erst durch diese Neuen, die Anderen, bedroht ist.

Laute Gegenwehr

Es gibt aber keinen Grund zur Verzweiflung. Der Fortschritt ist immer flüssig, er kennt Rückschritte, Entwicklungen geraten in Vergessenheit, vielleicht gerade wenn ihre Ergebnisse so selbstverständlich sind, dass niemand mehr davon spricht. Es mag eine Zumutung sein, ist aber unvermeidlich, dass auch um den Erhalt des schon einmal Gesicherten immer neu gekämpft werden muss. Denen, die so genau zu wissen meinen, wo der Platz einer Frau oder eines Mannes ist, gehört laut entgegengetreten, am Arbeitsplatz, in der Schule oder auf der Straße. Ob sie Hassan oder Heinz heißen.

Kämpfen lohnt sich. Weil die Lage der Frauen in einer Gesellschaft immer auch Auskunft gibt über ihr Ganzes: wie gleich, wie friedlich, wie offen und demokratisch sie ist. Die Chance zu gewinnen ist gut. Und im Interesse beider, nein: sämtlicher Geschlechter.

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