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Regierungsgegner beim Gebet. Erste Medienberichte, nach denen der jemenitische Präsident Saleh bei einem Angriff auf seinen Palast getötet worden sein soll, wurden von Regierungsseite dementiert.
© dpa

Jemen: Kampf um Sanaa

Regierungstruppen und Stammesmilizen bekriegen sich in der jemenitischen Hauptstadt. Am Freitag stand erstmals der Palast des Präsidenten unter Beschuss. Präsident Saleh wurde laut dem jemenitischen Staatsfernsehen leicht verletzt.

Jemen schlittert immer schneller in einen Bürgerkrieg. Am Freitag kam erstmals der Palast des Präsidenten in Sanaa unter Beschuss. Getroffen wurde die Moschee, die sich auf dem Palastgelände befindet. Dabei soll es mindestens vier Tote und mehrere Verletzte gegeben haben. Unter den Verwundeten befinden sich auch führende Politiker wie der Parlamentspräsident. Nach der ersten Verwirrung - ein jemenitischer Fernsehsender hatte bereits den Tod des Präsidenten gemeldet – ließ das staatliche Fernsehen über den Informationsminister verlauten, Saleh sei leicht verletzt. Am Abend wurde eine Audiobotschaft Salehs gesendet. „Es geht mir gut“, versicherte er darin. Anhänger des oppositionellen Stammesführers Scheich Saqiq al Ahmar warfen dem Präsidenten vor, er habe den Anschlag inszeniert, um einen Bürgerkrieg rechtfertigen zu können. Eine andere Lesart der Opposition lautete, es seien eigene rivalisierende Truppen gewesen, die den Angriff lanciert hätten.

Tatsächlich hat der unter Druck geratene Präsident, der auch nach bald 33 Jahren nicht zurücktreten will, die jüngste Eskalation selbst eingeleitet, als er vor einigen Tagen die Residenz von Ahmar im Stadtteil Hasaba angreifen ließ. Seither toben, unterbrochen von einem kurzen Waffenstillstand, in der Hauptstadt Sanaa Straßenkämpfe, die mehrere Dutzend Menschenleben gekostet haben. Die Anhänger Ahmars hätten zum Gegenschlag ausgeholt und auf das Gelände des Präsidentenpalastes gefeuert, berichten Augenzeugen. Ahmars Truppen ist es in den letzten Tagen gelungen, mehrere staatliche Institutionen unter Kontrolle zu bringen. Erste Kommentatoren äußerten bereits die Meinung, die Stammeskämpfer seien dabei, die Oberhand zu gewinnen.

Der Konflikt im Jemen tobt derzeit an drei Fronten. Das ist einmal die Auseinandersetzung in Sanaa zwischen den Stämmen und den Kräften Salehs. Der zweite Schauplatz ist die Stadt Taiz im Süden, wo der Präsident vor einigen Tagen das Zeltlager der Demokratiebewegung gewaltsam räumen ließ und seine Truppen seither mit allen Mitteln versuchen, neue Proteste im Keim zu ersticken. Bei dieser Räumung sind Dutzende Demonstranten getötet und hunderte verletzt worden. Eine dritte Front gibt es in der Stadt Zinjar, die von islamistischen Rebellen, die Verbindungen zu Al Qaida haben sollen, überrannt wurde. Hier versucht die Armee des Präsidenten, die Kontrolle zurückzugewinnen.

Zur größten Bedrohung für den Präsidenten ist aber Scheich Ahmar geworden, der Chef des Hashid-Stammesverbandes. Der 55-jährige, der diese Rolle nach dem Tod seines charismatischen Vaters Abdullah 2007 übernommen hatte, kann hunderttausende Bewaffnete aufbieten, die nicht nur über Gewehre, sondern auch über schwere Waffen verfügen. Mehrere zehntausend haben sich in den letzten Tagen zur Verstärkung auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Ihm zur Seite steht auch General Ali Mohsen, der die 1. Division der Armee anführt und ebenfalls zu den Demonstranten übergelaufen ist. Seine Einheiten schützen die jungen Menschen, die in Sanaa die Demokratiebewegung anführen.

Saleh ist jedes Mittel und jedes Ränkespiel recht, um an der Macht zu bleiben. Er droht immer wieder, wenn er zurücktrete, werde das Land von Al Qaida übernommen und zu einem zweiten Somalia werden. Diese Drohungen verfangen allerdings auch bei seinen ausländischen Verbündeten, den Golfstaaten und den USA nicht mehr. Bereits dreimal hat er im letzten Moment, seine Unterschrift unter einen Vermittlungsvorschlag der Golfkooperationsstaaten verweigert.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat sich besorgt über die Zuspitzung der Krise im Jemen geäußert. Gut 20 000 Menschen seien wegen anhaltender Kämpfe aus dem Süden des Landes geflohen, sagte ein UNHCR-Sprecher am Freitag in Genf. Unter den Vertriebenen seien auch viele Flüchtlinge, die im Jemen Schutz vor Kriegen in ihrer Heimat gesucht hätten.

Zwei somalische Flüchtlinge kamen bei Kämpfen zwischen Milizen und Sicherheitskräften der Regierung ums Leben.

Zusätzlich zu den neuen Vertriebenen kümmert sich das UNHCR im Jemen um 200 000 Flüchtlinge, vorwiegend aus Somalia, sowie 300 000 Vertriebene aus dem Norden des einst geteilten Landes. (mit epd)

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