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Die Bundesmarine, hier die Fregatte "Schleswig-Holstein", kämpft künftig auch gegen Schleuserbanden im Mittelmeer.
© dpa
Update

Flüchtlinge: Kabinett weitet Anti-Schleuser-Einsatz der Bundeswehr aus

Das Bundeskabinett hat die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen Schleuser beschlossen. Künftig sollen bis zu 950 Soldaten Schiffe stoppen und zerstören dürfen.

Das Bundeskabinett hat die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen Schleuser im Mittelmeer beschlossen. Bis zu 950 Soldaten sollen künftig Schiffe von Menschenschmugglerbanden stoppen und zerstören dürfen. Bisher ist die EU-Militäroperation auf das Sammeln von Informationen und die Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen begrenzt - letzteres allerdings nicht als Teil ihres Auftrags; dass Schiffbrüchige zu retten sind, schreibt das Seerecht vor. Die Bundeswehr hat seit Anfang Mai bereits mehr als 7200 Menschen nach Italien gebracht. Derzeit sind die Fregatte „Schleswig-Holstein“ und das Versorgungsschiff „Werra“ mit insgesamt 320 Soldaten im Mittelmeer unterwegs.

Die Mission hatten die EU-Außenminister im Juni vereinbart

Die nun auch von Deutschland beschlossene Mission "Eunavfor Med" hatten die Außenminister der EU Ende Juni 2015 vereinbart. Sie zielte von Anfang an darauf, die Boote kommerzieller Fluchthelfer vor deren Auslaufen zu zerstören, wofür die EU ein Mandat der Vereinten Nationen anstrebte. Da es das jedoch nicht gab und auch die Zustimmung Libyens für die Aktion fehlte, startete Europa zunächst die erste Phase, in der die nordafrikanische Küste beobachtet wurde, um, wie es hieß, "Fluchtnetzwerke durch Informationssammlung und Patrouillen auf hoher See aufzuspüren und zu überwachen". Das geschah über militärische Aufklärung mit Luft- und Satellitenbildern, im Einsatz waren Flugzeuge, Drohnen und U-Boote. Für dieses Jahr entfällt allein auf die Bundeswehr ein Kostenanteil von rund 36 Millionen Euro an der Operation. Nach dem Kabinettsbeschluss von Mittwoch muss der Bundestag über den Einstieg in Phase zwei der Mission beraten - Beginn der parlamentarischen Befassung ist der 24. September, der Tag des Flüchtlingsgipfels im Kanzleramt. Die Abstimmung ist für Anfang Oktober geplant.

Russlands Vertreter bei den Vereinten Nationen stellte vor wenigen Wochen ein UN-Mandat für "Eunavfor Med" in Aussicht, daraus wurde allerdings bisher nichts. Die Kritik am Militäreinsatz im Mittelmeer ist ohnehin heftig, vor allem weil der Einsatz gegen Schlepper kaum ohne eine massive Gefährdung der Flüchtlinge möglich ist, die sich auf den angegriffenen Booten befinden. Zudem sind die Organisatoren selten selbst auf den Booten oder in deren Nähe. Es gibt aber auch politische Kritik, weil das Geschäftsmodell, gegen das sich "Eunavfor Med" richtet, im Grunde erst durch die Abschottungspolitik Europas entstanden ist, die die Flüchtlinge auf den gefährlichen Seeweg verweist.

Opposition protestiert: Völkerrecht verletzt

Grüne und Linke haben die Pläne der Bundesregierung scharf kritisiert: „Ein Übergang der EU-Militärmission im Mittelmeer in die sogenannte Phase 2 verstößt gegen internationale Übereinkommen. Ein beflaggtes Schiff auf hoher See zu entern, erfordert die Zustimmung des Flaggenstaates. Die Bundesregierung darf sich an dieser Eskalation des Krieges gegen unerwünschte Migration auf keinen Fall beteiligen“, kommentierte der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko. Auch die EU verfüge über "kein völkerrechtliches Mandat zum Beschluss einer solchen militärischen Eskalation". Möglich sei, dass die EU-Militärs tatsächlich aber gegen jene kleineren und nicht beflaggten Boote vorgehen wollten, mit denen die meisten Migranten derzeit nach Europa gelangen. Sie aber "zur Umkehr zu zwingen, wäre menschenverachtend", erklärte Hunko. Die Flüchtlingsexpertin der Grünen, die Europa-Abgeordnete Ska Keller, nannte den Militäreinsatz "puren Aktionismus". Mit militärischen Mitteln könnten Schlepper nicht bekämpft werden, sagte Keller dem Tagesspiegel. "Das Hauptproblem ist, dass Menschen auf der Flucht keine andre Möglichkeit haben, als sich skrupellosen Schleppern anzuvertrauen. Wir müssen die Geschäftsgrundlage der Schlepper trockenlegen, aber das gelingt nur mit legalen und sicheren Fluchtwegen."

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