Im zweiten Anlauf: Kabinett in Israel stimmt Netanjahus Reformen zu
Nach anhaltenden Massendemonstrationen in Israel hat das Kabinett nun Reformen beschlossen, die die soziale Situation im Land verbessern sollen.
Massenhaft hatten junge Menschen in Israel demonstriert – gegen unbezahlbare Mieten, zu hohe Lebenshaltungskosten. Nun haben sie einen Erfolg errungen. Das Kabinett stimmte am Sonntagabend in einem zweiten Anlauf Wirtschaftsreformen zu, deren Umsetzung nach dem Wunsch des Regierungschefs Benjamin Netanjahu dabei helfen soll, dass sich die soziale Situation im Land verbessert. Die Reformen wurden Netanjahu von einer Expertenkommission vorgeschlagen. 21 Minister stimmten dafür, acht dagegen. Bis zur Umsetzung der Reformen scheint der Weg aber noch lang.
In der Knesset muss noch zugestimmt werden. Und der „Israelische Sommer“ des gesellschaftlichen Protestes wird schon bald mit neuen Massenkundgebungen fortgesetzt. Die sollen sich gegen die gerade genehmigten Reformen richten.
Die Anführer des monatelangen landesweiten Protestes organisieren zusammen mit Gleichgesinnten in insgesamt 40 anderen Ländern einen internationalen Protesttag am 15. Oktober und zudem eine Massenkundgebung am 29. Oktober. Außerdem hat die mächtige Histradrut-Gewerkschaft zu einem landesweiten Arbeitskampf gegen die Regierung aufgerufen, der schon nächste Woche zu einem Generalstreik führen könnte.
Große Summen hin- und herschieben - so stellen sie sich das vor
Die zentrale Grundsatzforderung der Protestbewegung lautet aktuell: Annullierung des Staatsbudgets für das Jahr 2012. Es sei im vergangenen Jahr unter vollkommen anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen verabschiedet worden und trage den landesweiten Protesten der letzten Monate in keiner Weise Rechnung.
Regierungschef Netanjahu und sein Finanzminister Yuval Steinitz aber sprechen sich für „verantwortungsvolle Reformen“ aus und meinen damit solche, die den Budgetrahmen nicht sprengen, sondern nur Milliardensummen zwischen den einzelnen Ministerien hin- und herschieben. Auch die Expertenkommission beließ es dabei in ihren Empfehlungen.
So soll das Verteidigungsbudget um umgerechnet rund 950 Millionen Euro im kommenden Jahr und weitere in den folgenden vier Jahren gekürzt werden. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nur um eine Kürzung nachträglicher Zusatzetats.
Auch die Kriterien für den sozialen Wohnungsbau sollen verändert werden. Nicht mehr die Anzahl der Kinder soll über den Anspruch einer Familie entscheiden, sondern die Höhe des Einkommens. Die Minister der ultrareligiösen Shas-Partei wollen zusammen mit ihren Abgeordneten und den meisten Oppositionsparteien in der Knesset dagegen stimmen.
Charles A. Landsmann