Offener Brief an den SPD-Chef: Jusos attackieren Sigmar Gabriel wegen Iran-Reise
Am Montag wird Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Gesprächen in Teheran erwartet. Zwei Juso-Landesverbände fordern eine Absage. Mit einer antisemitischen Diktatur dürfe man keine Geschäfte machen.
Nicht erst seit gestern ist die Beziehung zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem Parteinachwuchs belastet – um es vorsichtig auszudrücken. Beim Bundeskongress der Jungsozialisten im vergangenen Herbst war es Johanna Uekermann, Bundesvorsitzende der Jusos, die den obersten Sozialdemokraten drastisch kritisierte: „Gabriel gebe ich für seine Politik in der großen Koalition und als Parteivorsitzender eine Vier minus“, sagte Uekermann damals. Ausdrücklich lobte sie hingegen CDU-Kanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik.
Für neuen Ärger mit den Jungsozialisten sorgt jetzt eine anstehende Dienstreise des Wirtschaftsministers in den Iran. Dort will Gabriel Anfang kommender Woche an der ersten Sitzung der gemischten deutsch-iranischen Wirtschaftskommission seit 15 Jahren in Teheran teilnehmen. "Gerade in den Bereichen Maschinenbau oder erneuerbare Energien sehen wir große Potenziale einer engeren Zusammenarbeit", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Bereits zum zweiten Mal binnen eines dreiviertel Jahres versucht Gabriel sich damit als Eisbrecher für den erhofften Aufschwung im deutsch-iranischen Geschäft nach Ende der internationalen Sanktionen.
Jusos: Keine Geschäfte mit antisemitischer Diktatur
Weil das iranische Regime seit Jahrzehnten Terrorgruppen unterstützt und dem Staat Israel offen mit der Zerstörung droht, sorgt der Staatsbesuch Gabriels unter den Jungsozialisten für Unmut. „Unkritische, enge Kontakte mit dem iranischen Regime stehen im Widerspruch zum deutschen Solidarverhältnis zu Israel“, sagt Annika Klose, Vorsitzende der Berliner Jusos, „Gabriel sollte deshalb besser zu Hause bleiben.“
In einem gemeinsamen Brief der Juso-Verbände von Niedersachsen und Berlin an den Wirtschaftsminister, der dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Wer für Wirtschaftsdeals Geschäfte mit einer antisemitischen Diktatur macht, die Israel mit Vernichtung droht und bei der Verletzung der Menschenrechte weltweit an der Spitze steht, macht sich mitschuldig.“
Gabriel seinerseits ist sich der Brisanz der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen durchaus bewusst. Bereits bei seinem ersten Iran-Besuch im vergangenen Juli verteidigte er das Existenzrecht Israels, das von Iran bestritten wird. „Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch infrage stellen“, sagte er in Teheran.
Wirtschaft hofft auf Milliardenaufträge
Allerdings ist der Druck von Verbänden und deutschen Konzernen auf den Vizekanzler groß. Denn die früher eng mit dem Iran verbundene deutsche Wirtschaft hofft nach dem schrittweisen Auslaufen der Wirtschaftssanktionen auf milliardenschwere Neuaufträge aus Iran. Nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, könnte sich das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern binnen der nächsten zwei Jahre auf sechs Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Auf mittlere Sicht seien zehn Milliarden Euro möglich, sagte Schweitzer, im vergangenen Jahr.
Bei den Jusos lässt man derlei Erwartungen nicht gelten. Die kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen einiger deutscher Firmen dürften es dem Regime nicht ermöglichen, durch Millionen-Geschäfte seine Unterstützung von Terrororganisationen wie der Hisbollah ebenso fortzusetzen wie den Krieg gegen die syrische Bevölkerung und die Aufrüstung gegen Israel, heißt es in dem Brief der Jungsozialisten, der auch von einigen Landesverbände der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie der Gruppe "Stop The Bomb" unterzeichnet wurde.