Besuch in Athen: Juncker macht Griechen Mut
Seine erste Reise als designierter Präsident der neuen EU-Kommission unternahm Jean-Claude Juncker nach Athen. Das war ein Signal an die Griechen, die wie kein anderes Volk in Europa unter den Folgen der Schuldenkrise und des Sparzwangs leiden.
Selten hat der griechische Premier Antonis Samaras einen Besucher so überschwänglich freundlich begrüßt wie am Montag Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger habe mit „Mut, Weitsicht und Integrationsfähigkeit“ eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der Euro-Krise gespielt, erklärte der griechische Premier. Juncker habe Griechenlands Zukunft im Euro verteidigt, als viele andere daran zweifelten, sagte Samaras: „Das werden wir ihm nicht vergessen.“
Der künftige Kommissionspräsident gab die Komplimente zurück: Juncker lobte die Bemühungen der Griechen als „eindrucksvoll und beispielhaft“. Er habe während der Krise „wie ein Löwe“ bei den anderen EU-Partnern um Vertrauen für Griechenland gekämpft. „Griechenland gehört zu Europa, Plato kann nicht in der zweiten Liga spielen“, sagte Juncker in Athen bei seiner ersten Reise als designierter Kommissionspräsident.
Prioritäten des Luxemburgers: Beschäftigung, Wachstum, Investitionen
Schon vor seiner Ankunft hatte Juncker unterstrichen, er wolle mit seinem Besuch in Athen „eine Botschaft der Hoffnung und der Zuversicht“ senden und den Griechen Anerkennung für die Reformanstrengungen zollen. Seine Prioritäten als Kommissionspräsident seien Beschäftigung, Wachstum und Investitionen. Das hörte man in der griechischen Hauptstadt gern, denn genau dies sind auch die Themen, die für das von einer sechsjährigen Rezession und Rekord-Arbeitslosigkeit gezeichnete Land jetzt Vorrang haben.
Unterstützung erwartet Samaras von Juncker aber auch bei den Verhandlungen über Schuldenerleichterungen für Griechenland, die im Herbst beginnen sollen. Zur Diskussion stehen niedrigere Zinsen und längere Tilgungsfristen für einen Teil der Euro-Hilfskredite.
Griechen sehen in Juncker einen Freund
Eigentlich waren die Griechen für den Vorsitz der EU-Kommission mit einem eigenen Kandidaten im Rennen, dem Oppositionsführer Alexis Tsipras. Aber der radikal-linke Heißsporn, in dessen Partei es einen starken europafeindlichen Flügel gibt, wäre wohl nicht mal im eigenen Land mehrheitsfähig gewesen. Mit Juncker können die meisten Griechen besser leben. Sie sehen in ihm einen Freund. Dabei hat er als Chef der Euro-Gruppe keineswegs übertriebene Nachsicht gezeigt. Als Ende 2009 die damalige Athener Regierung zugeben musste, dass man Brüssel mit geschönten Defizitzahlen getäuscht hatte, donnerte Juncker: „Das Spiel ist aus!“ Der Luxemburger nahm kein Blatt vor den Mund und las den Griechen mehr als einmal die Leviten. Aber der Ton macht die Musik. Von Juncker als Vertreter eines kleinen Landes fühlten sich die Griechen stets fair und mit jener Achtung behandelt, die man zum Beispiel bei deutschen Politikern oft vermisste. So war es kein Zufall, dass die Athener Universität auf dem Höhepunkt der Krise 2011 Juncker die Würde eines Ehrendoktors verlieh.
Bei Junckers Gesprächen in Athen kam auch die Aufgabenverteilung in der neuen Kommission zur Sprache. Samaras hat seinen Verteidigungsminister und Vize-Parteichef Dimitris Avramopoulos als neuen griechischen EU-Kommissar nominiert. Avramopoulos, der zuvor auch Außenminister seines Landes war, ist ein politisches Schwergewicht. Mit seiner Benennung unterstreicht Samaras, wie wichtig ihm die Beziehungen zur EU sind. Es ist ein offenes Geheimnis, welche Aufgabe sich die griechische Regierung für ihren Kandidaten wünscht: Das Innenressort, zu dem auch der Komplex Migration gehört – ein Thema, dass den Griechen jetzt mehr denn je auf den Nägeln brennt. Denn als Folge der Kämpfe im Nahen Osten und Nordafrika steigt die Zahl der Flüchtlinge, die nach Griechenland drängen, täglich an. Athen fühlt sich bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms bisher von der EU unzureichend unterstützt. Juncker wird über die Zusammensetzung seiner Mannschaft zwar erst nach dem EU-Gipfel am 30. August endgültig entscheiden, aber er machte den Griechen Hoffnung auf ein wichtiges Ressort für ihren künftigen Kommissar: „Sie werden nicht enttäuscht sein“.
Gerd Höhler