Nach Wahlschlappen in Südafrika: Jugendliga des ANC macht Druck auf Präsident Zuma
Bei den Kommunalwahlen hatte Südafrikas Regierungspartei ANC herbe Verluste kassiert. Jetzt fordern die Jungen in der Partei einen Kurswechsel - und die Wahl einer neuen Führung vorzuziehen.
22 Jahre nach Nelson Mandelas Wahl zu Südafrikas erstem demokratischem Präsidenten gerät die bisher unangreifbar erscheinende Macht des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ins Wanken. Afrikas älteste Befreiungsbewegung verlor die Kontrolle über das bedeutendste Machtzentrum des Landes: die Hauptstadt Pretoria. Auch in Nkandla, wo Staatspräsident Jacob Zuma (74) in einem beispiellosen Skandal seine Luxusvilla für 19 Millionen Euro Steuergelder aufpolieren ließ, gewann bei den jüngsten Kommunalwahlen mit der Inkatha Freiheitspartei (IFP) die Opposition.
Und selbst an seinem Arbeitsplatz Pretoria, dem offiziellen Sitz des Präsidenten, ist das Staatsoberhaupt nicht mehr vor seinen Widersachern sicher. Ende vergangener Woche wurde der Kandidat der größten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), Solly Msimanga, zum Bürgermeister gewählt – mit Szenen, die ein Stadtparlament eher selten erlebt: Die Abgeordneten erhoben sich von ihren Sitzen, begannen zu singen und zu tanzen. Während die Opposition Freudengesang anstimmte, griff der ANC auf ein altes Lied aus dem Freiheitskampf zurück: Asinavalo (Wir haben keine Angst!). Die Opposition hat zum ersten Mal seit der demokratischen Wende 1994 die Kontrolle über die Hauptstadt.
Die Oppositionspartei DA setzt auf ihren schwarzen Chef Mmusi Maimane
Bei den Wahlen am 3. August war die DA erstmalig mit einem schwarzen Anführer, Mmusi Maimane, ins Rennen gestartet. Sie hatte auf ihre Erfolge in Kapstadt verwiesen und erfolgreich die wachsende schwarze Mittelschicht für sich mobilisiert. Seit 2009 regiert die DA Kapstadt – wo auch das südafrikanische Parlament sitzt – samt der umliegenden Provinz Westkap. So konnte die Partei auch die Hafenmetropole Port Elizabeth, die fünftgrößte Stadt des Landes, für sich beanspruchen. „Wir sprechen von einer Wahl des Wandels, da sie gleichzeitig ein Referendum über Präsident Jacob Zuma und über Südafrikas Zukunft war“, sagte DA-Chef Maimane.
Der ANC hatte seit der Machtübernahme nie unter 60 Prozent eingeholt. Die nationale Zustimmung von 54 Prozent betrachten nicht wenige in der Partei nun als „psychologischen Wendepunkt“. „Sie stellt den Tiefpunkt unseres politischen Lebens dar“, sagte der regionale ANC-Vorstand Kgosientso Ramokgopa angeschlagen. „Dieser Tatsache müssen wir uns stellen – je früher desto besser.“ Man habe eine eingehende Diskussion über die Niederlage geführt und werde die Ergebnisse der Gespräche an die höheren ANC-Gremien weiterleiten.
In der Regierungspartei regt sich nun erster Widerstand. „Wir sind überzeugt, dass der ANC in seiner aktuellen Form die Herausforderungen nicht überwinden kann“, sagte der Präsident der ANC-Jugendliga Collen Maine. Die Parteijugend war schon immer der revolutionäre Flügel der Partei. Ihr letzter Anführer Julius Malema wurde 2012 wegen Untreue aus der Partei verbannt und gründete später die Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF), die zur drittstärksten Kraft im Parlament aufstiegen. Jetzt forderte die ANC-Jugend, den für 2017 geplanten Parteigipfel vorzuziehen und frühzeitig eine neue Führung zu wählen.
Die ANC-Jugend plädiert für eine Frau an der Staatsspitze
Da Jugendliche zwei Drittel der rund 54 Millionen Bürger in Südafrika ausmachten, müssten auch junge Politiker in die ANC-Elite aufsteigen, sagte Maine. Und: „Es muss einen Wandel geben. Wir unterstützen deshalb den Ruf nach einer Präsidentin.“ Kritik kam auch vom früheren Präsidenten und Vizepräsidenten Kgalema Motlanthe: Der ANC müsse wieder im Einklang mit der demokratischen Verfassung regieren, die er vor mehr als 20 Jahren mit ausarbeitete. Sonst stehe der Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2019 die nächste Niederlage bevor.
Weder in Pretoria noch in Port Elizabeth erlangte die DA aber die absolute Mehrheit. Die Regierung konnte sie nur zusammen mit fünf kleineren Parteien bilden. „Diese Koalitionen haben nicht die Macht, öffentliche Dienstleistungen zu verbessern und die Menschen an erste Stelle zu setzen. Es sind bloß Anti-ANC-Koalitionen“, kritisierte der ANC-Sprecher Zizi Kodwa. Ein anderes Bild zeichnete eine Umfrage der Zeitung „The Citizen“ zu den neuen Stadtregierungen. 14 Prozent der Befragten bekundeten Sorge. Die übrigen 86 Prozent sahen den Machtwechsel als „Sieg für gute Regierungsführung“.
Markus Schönherr