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Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird von jüdischen Verbänden heftig kritisiert.
© Sören Stache/dpa

Kampf gegen Antisemitismus: Jüdische Verbände rügen Zusammensetzung einer Expertenrunde

Bundesinnenminister de Maizière hat Fachleute für eine neue Antisemitismus-Kommission benannt. Und kein Mitglied ist jüdischer Herkunft. Einige jüdische Verbände und Wissenschaftler sind empört und wollen nun einen alternativen Expertenkreis gründen.

Der Unmut ist groß: Verschiedene jüdische Wissenschaftler und Experten sind empört über die Zusammensetzung einer neuen Antisemitismus-Kommission beim Bundesinnenministerium. Dem Gremium mangele es sowohl an Expertise als auch an einer jüdischen Perspektive, lautet der Vorwurf.

Dass keiner der vom Ministerium benannten Fachleute jüdischer Herkunft sei, ist nach Überzeugung von Julius Schoeps, Gründungsdirektor des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam ein "einzigartiger Skandal". Die Abgeordneten des Bundestags und der Bundesinnenminister müssten sich, so sagt der renommierte Historiker, die Frage gefallen lassen, weshalb auf das Wissen und den Rat jüdischer Forscher und Fachleuten aus jüdischen Organisationen kein Wert gelegt werde.

Mit jüdischer Perspektive

Enttäuscht und verärgert sind auch das American Jewish Committee (AJC) und die Amadeu-Antonio-Stiftung. Deren Vorsitzende Anetta Kahane betonte: "Niemand käme auf den Gedanken, eine Konferenz zum Islamhass ohne muslimische Vertreter oder einen runden Tisch zur Diskriminierung von Frauen ohne Frauen anzusetzen." Zudem vermisse man die notwendige Kompetenz in Sachen Israel und Nahostkonflikt, heißt es beim AJC.

Deshalb wollen die Kritiker eine alternative "Expertenkommission Antisemitismus" gründen. Deren Arbeit soll bewusst auch die jüdische Perspektive auf das Problem einschließen, gewonnene Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen und vor allem Handlungsempfehlungen für die Politik geben.

Der von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) benannte Antisemitismus-Expertenkreis, der spätestens in zwei Jahren einen ersten Bericht vorlegen soll, hatte am 19. Januar erstmals getagt. Er wurde aufgrund eines fraktionsübergreifenden Bundestagsbeschlusses eingesetzt und besteht aus acht Mitgliedern.

"Fehler korrigieren"

Dem Vernehmen nach wurde schon vor der Berufung der Fachleute darauf aufmerksam gemacht, dass kein Jude unter ihnen ist. Der Hinweis sei zwar zur Kenntnis genommen worden, blieb aber offenkundig folgenlos – ein Versäumnis, das nach Volker Becks Auffassung korrigiert werden sollte: "Die Forderung nach einer jüdischen Stimme im Expertenkreis gegen Antisemitismus ist berechtigt", sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel. "Da haben wir auch als Abgeordnete gemeinsam gepennt. Ich finde, wir sollten jetzt unseren Fehler gemeinsam korrigieren." Wichtig sei nun, darauf zu achten, den Expertenkreis nicht in seiner Gänze zu beschädigen.

Das Innenministerium verweist darauf, dass die Frage der Religionszugehörigkeit kein Kriterium bei der Zusammensetzung des unabhängigen Expertenkreises gewesen sei; im Vordergrund hätten stets fachliche Erwägungen gestanden. Man habe außerdem angeregt, auch jüdische Verbände und Organisationen mit ihren wichtigen Expertisen in die Arbeit des Gremiums einzubinden: "Um möglichst vielen unterschiedlichen Akteuren und Ansätzen zur Antisemitismusbekämpfung Raum zu geben."

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