Nachfolge von Theresa May: Johnson bei Wahl zum Tory-Vorsitz weiter klar vorn
126 der 313 Tory-Abgeordneten stimmen in einer zweiten Runde für Boris Jonson als neuen Partei- und Regierungschef. In einer TV-Debatte weicht er Fragen aus.
Der Favorit im Rennen um die Nachfolge der britischen Premierministerin Theresa May, Ex-Außenminister Boris Johnson, hat sich bei einer TV-Debatte am Dienstagabend nicht auf ein Brexit-Datum festlegen lassen. Auf die Frage eines Zuschauers, ob er garantieren könne, dass Großbritannien die Frist bis zum 31. Oktober für einen EU-Austritt einhalten werde, antwortete Johnson ausweichend. „Wir müssen rauskommen“, sagte er. „Ansonsten, fürchte ich, werden wir einen katastrophalen Vertrauensverlust in die Politik erleben.“ Gleichzeitig betonte er, niemand wolle einen „ungeordneten Brexit“.
Im Rennen um das Amt des konservativen Parteichefs und künftigen Premierministers hatte Johnson zuvor einen weiteren Erfolg errungen. Johnson erhielt am Dienstag 126 der 313 Stimmen aus der Tory-Fraktion und zieht damit als haushoher Favorit in die nächste Wahlrunde am Mittwoch. Ebenfalls eine Runde weiter sind Außenminister Jeremy Hunt (46 Stimmen), Umweltminister Michael Gove (41), Überraschungskandidat Rory Stewart (37) sowie Innenminister Sajid Javid (33). Ex-Brexit-Minister Dominic Raab verfehlte dagegen die Hürde von 33 Stimmen. Mehrere Tories gaben umgehend Raab Rückdeckung: Sollte Johnson Premierminister werden, müsse er Raab ins Kabinett berufen.
Bisher hat sich der für provokante Äußerungen berüchtigte Johnson auffällig zurückgehalten. Der Politiker, der am Mittwoch seinen 55. Geburtstag feiert, gilt daher als kaum noch zu schlagen. Gefährlich werden könnte ihm Spekulationen zufolge allenfalls noch Stewart, der sich als Stimme der Vernunft und Kandidat der Mitte positioniert hat.
Der Entwicklungshilfeminister konnte die Zahl seiner Unterstützer seit der ersten Abstimmungsrunde beinahe verdoppeln. Anders als seine Mitbewerber schielt Stewart nicht auf einen Ministerposten in einer Johnson-Regierung. Er forderte den Ex-Außenminister bereits mehrfach dazu auf, zu erklären, wie er seine vollmundigen Versprechungen in Sachen EU-Austritt in die Realität umsetzen will. Erwartet wird, dass er Johnson im weiteren Verlauf des Auswahlverfahrens beträchtlich ins Schwitzen bringen könnte.
Bis Donnerstag soll sich die Zahl der Bewerber auf zwei reduzieren
Johnson war einer der Wortführer für den Brexit vor der Volksabstimmung im Jahr 2016. Die Briten hatten sich damals mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt ausgesprochen. Johnson will das drei Mal im Parlament gescheiterte Brexit-Abkommen nachverhandeln, obwohl die EU das bereits mehrfach abgelehnt hat. Gelingt das nicht, will er ohne Vertrag aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. Die von Experten erwarteten dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche hält er für maßlos übertrieben.
Stewart dagegen will mithilfe einer Bürgerversammlung doch noch eine Mehrheit für den Brexit-Deal im Parlament zusammenbekommen. Einen No-Deal-Brexit lehnt er ab.
Bis Donnerstag soll die Zahl der Bewerber in weiteren Wahlrunden, bei denen jeweils der Letztplatzierte rausfliegt, von der Fraktion auf zwei reduziert werden. Wer von den beiden Parteichef und damit Premierminister wird, sollen dann die rund 160.000 konservativen Parteimitglieder entscheiden. Umfragen zufolge ist Johnson an der Basis unangefochtener Spitzenreiter.
Viele trauen ihm zu, enttäuschte Brexit-Wähler, die sich von den Tories abgewendet haben, zurückzugewinnen. Bis zur Woche vom 22. Juli soll feststehen, wer neuer Regierungschef in Großbritannien wird. (dpa)