Der Republikaner: John McCain: Mister Maverick
Wofür steht John McCain, Kandidat der Republikaner, was macht ihn aus?
Den Namen John McCain kennt jedes amerikanische Kind. Er gilt als Held und als Kämpfer, der nie aufgibt. Dieses Image ist sein wichtigster Trumpf in den letzten Stunden vor der Wahl. Den Umfragen nach hat er längst verloren. Aber seine Anhänger glauben an seine Siegchancen, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Er stammt aus einer Militärfamilie. Großvater und Vater waren Admirale. Auch John Sidney McCain III. - er trägt denselben Namen wie die beiden - besuchte die Marineakademie in Annapolis. Schon dort fiel er als Querkopf auf, der sich mit dem Lehrstoff schwertat, aber keinem Faustkampf aus dem Weg ging. Im Vietnamkrieg diente er als Marineflieger und wurde im Oktober 1967 bei einem Einsatz über Hanoi abgeschossen. Für mehr als fünf Jahre kam er in Kriegsgefangenschaft - mit gebrochenen Knochen, die nicht richtig geschient und eingerichtet wurden. Er wurde gefoltert. Die körperliche Behinderung ist ihm bis heute anzusehen. Seine Bewegungen wirken etwas hölzern, seine Arme kann er nicht über den Kopf heben. Die Vietnamesen boten die vorzeitige Entlassung an - in der Hoffnung auf einen Propagandaerfolg, McCains Vater war inzwischen Oberkommandierender für die Region. McCain lehnt ab, der Ehrenkodex gebietet, dass Kriegsgefangene in der Reihenfolge ihrer Inhaftierung freikommen. Im März 1973 kehrte er auf Krücken heim, 36 Jahre alt, aber mit weißen Haaren.
Das alles liegt mehr als 35 Jahre zurück und beherrscht doch das öffentliche Bild des Kandidaten: ein Patriot und starker Charakter, der Ehre und nationale Interessen über den persönlichen Vorteil stellt. Für Werbefachleute ist die Lebensgeschichte ein Geschenk. McCain ist eine eingeführte Marke. Doch anders als im Fall Obamas ist das Bild gefestigt und kann nicht mehr nach den Bedürfnissen des Wahlkampfs neu geformt werden.
Jede Abweichung vom Markenimage birgt Risiken, das zeigte McCains Entscheidung für Sarah Palin als Vizekandidatin. Er hatte zunächst vom Ruf des politischen Querkopfs profitiert. Er geriet nicht in den Abwärtssog des unbeliebten Amtsinhabers Bush und der Republikaner. 2008 hätte von Beginn an ein ideales Wahljahr für die Demokraten sein müssen, doch McCain blieb Obama in den Umfragen die meiste Zeit dicht auf den Fersen und ging mehrfach in Führung, zuletzt in der ersten Septemberhälfte.
Erst seit die Finanzkrise zum alles beherrschenden Thema geworden ist, fällt McCain zurück. Zuvor hatte er sich erfolgreich als "Maverick" und Stehaufmännchen inszeniert. "Maverick" meint eigentlich ein Kalb oder einen Jungstier, der noch kein Brandzeichen einer Herde trägt. In der Politik steht es für eine Persönlichkeit, die nicht Ideologie und Parteilinie folgt. McCain hatte Bushs Steuersenkungen anfangs abgelehnt. (Heute will er sie beibehalten.) Er opponierte, als Bush "harte Verhörmethoden" gegen Terrorverdächtige genehmigte. Er kritisierte die Strategie im Irak. Bush und sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hätten Krieg und Besatzung mit einer fahrlässig geringen Truppenzahl geplant.
Anders als der äußerst vorsichtige Obama bezog McCain unpopuläre Positionen. Er sprach sich für eine Truppenverstärkung im Irak aus - und musste erleben, wie seine Kampagne im Sommer 2007 pleiteging, weil die Wahlkampfspenden ausblieben. Doch dann stabilisierte sich die Lage im Irak - und er galt einmal mehr als Mann, der die Interessen der USA wichtiger nimmt als die persönliche Karriere. Dieser McCain stand für die besseren Republikaner und war für Wechselwähler und rechte Demokraten attraktiv. In der eigenen Partei jedoch verprellte er den rechten Flügel.
In dieser Lage traf McCain Ende August eine folgenschwere Entscheidung und nominierte Sarah Palin als Vize. Es war keine von langer Hand vorbereitete Wahl, eher ein spontaner Beschluss aus dem Bauch heraus - typisch McCain und ganz im Kontrast zum abwägenden Entscheidungsstil des Demokraten Obama. In den Umfragen ging McCain vorübergehend in Führung. Konservative fühlten sich durch Palin neu motiviert. Moderate waren neugierig auf die weitgehend unbekannte Gouverneurin von Alaska. Doch je häufiger sie auftrat, desto sichtbarer wurden ihre geringen Kenntnisse der wichtigsten nationalen Themen, voran der Wirtschaft, und der internationalen Politik. Heute gilt Palin als Belastung für McCain. Zwei Drittel der Bürger halten sie für ungeeignet für den Vizeposten.
McCains Schwenk nach rechts erleichterte es den Demokraten, ihn in die Nähe von Bush zu rücken. Er sei "McSame", im Grunde derselbe. Ein Vorteil bleibt ihm gegenüber Obama. Die Amerikaner haben ein Grundvertrauen zu ihm. Der weißen Mehrheit gilt er als "einer von uns", einer mit denselben Werten. Deshalb ist ein Überraschungssieg des Republikaners auch nicht ausgeschlossen, trotz der scheinbar eindeutigen Umfragen. Wenn die Bürger plötzlich Angst vor der Wende bekommen, kann McCain siegen.
Eine Redensart - in Anlehnung an die beleibten Sängerinnen in Wagner-Opern - besagt: "It ain't over 'til the fat lady sings". Vorbei ist es erst nach der letzten Arie. Und das letzte Wort haben Amerikas Wähler.