Marine Le Pen: „Jetzt müssen wir an die Macht“
Über Jahre führte ihr Vater Jean-Marie Le Pen die französischen Rechtsaußen von der "Front National" an. Nun hat seine Tochter Marine die Parteiführung übernommen. Im Elysée-Palast schrillen die Alarmglocken.
Es ist die Stunde ihres großen Triumphs. Strahlend nimmt Marine Le Pen den stürmischen Beifall entgegen. Soeben hat der Gründer und langjährige Führer der Nationalen Front, ihr Vater Jean-Marie Le Pen, sie vor den 2000 Delegierten des Parteitages in Tours zu seiner Nachfolgerin ernannt. Zwei Drittel der zahlenden Mitglieder hatten sich zuvor in der parteiinternen Wahl für sie ausgesprochen. Das ist offenbar mehr, als sie erwartet hatte. Ihr Triumph ist umso größer, als sie nicht, wie bisher bei der Wahl des Parteichefs üblich, per Akklamation gewählt wurde, sondern in einem schriftlichen Abstimmungsverfahren. Dieses Ergebnis ist auch ein Votum für den Vater. Er hatte die Tochter gegen den einzigen Gegenkandidaten Bruno Gollnisch favorisiert. Die Linie Le Pen kann nun fortgesetzt werden.
Dennoch markiert die Ablösung des 82-jährigen Haudegens, der vor über einem halben Jahrhundert als jüngster Abgeordneter in die Nationalversammlung einzog, eine Wende am rechten Rand der französischen Politik. Die 42-jährige Rechtsanwältin ist zweimal geschieden und Mutter dreier Kinder, sie repräsentiert eine neue Generation: Sie steht mit beiden Beinen im Leben, ist schlagfertig und resolut bis hin zur Aggressivität. Ihre Bekanntheit verdankt sie vor allem ihren Medienauftritten. Wie der Vater, dem sie nach einem Wort ihrer Mutter „wie ein Klon“ ähnelt, hat sie immer das letzte Wort. Aber anders als der Alte, der immer wieder von „Vaterland, Ehre und Treue“ schwadronierte und mit rassistischen Ausfällen von sich reden machte, sieht sie sich zum Kampf gegen soziale Probleme, Korruption oder auch den Euro berufen. Statt gegen Einwanderer wettert sie gegen die angebliche Islamisierung Frankreichs.
Und das kommt offenbar an: Mehrere tausend neue Mitglieder traten in den vergangenen Wochen der Front bei. Jeder fünfte Befragte äußert sich nach Angaben der Meinungsforscher positiv über sie. Im Elysée-Palast schrillen deshalb die Alarmglocken. Berater des Präsidenten sehen in ihr eine größere Gefahr als die, die ihr Vater einst für Jacques Chirac darstellte.
Würde die nächste Präsidentenwahl 2012 schon heute stattfinden, könnte sie, wie 2002 ihr Vater, in die zweite Runde gelangen – diesmal aber den Amtsinhaber in ernste Schwierigkeiten bringen. Dass das ihr Ziel ist, erklärt sie mit selbstbewusster Offenheit. „Jean- Marie hat den Weg freigeschlagen, jetzt müssen wir an die Macht kommen.“
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