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Er kann alles genau erklären, Begeisterung wecken kann er weniger gut: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
© Hannibal Hanschke/REUTERS

Von seiner Rede erwarten die Genossen viel: Jetzt muss Olaf Scholz zünden – nur wie?

Der SPD-Parteitag am Sonntag soll Olaf Scholz als Kandidaten bestätigen. Doch bislang zieht der kaum, denn er trägt viel Ballast mit sich herum. Eine Analyse.

Jetzt oder nie. Die Erwartungen an den Parteitag am Sonntag sind hoch in der SPD. Denn es gibt derzeit kaum einen anderen Grund zur Hoffnung. Die vergangenen Wochen waren nicht schön für die kleinere Regierungspartei. Als die Maskenaffäre im März begann, schmolz der Vorsprung der Union dahin. Alle Konkurrenten profitierten davon, nur die SPD nicht.

Die reibungslose Ausrufung der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor zwei Wochen und der Dauerstreit um die Entscheidung für Armin Laschet in der Union verdrängten die Sozialdemokraten dann fast vollständig aus der öffentlichen Wahrnehmung. Vizekanzler Olaf Scholz ist zwar fast jeden Tag in den Medien präsent, aber meist mit eher drögen politischen Zwischenständen als mit Botschaften, an denen sich die Menschen erfreuen oder reiben.

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Nun soll auf dem digitalen Parteitag am Sonntag das Wahlprogramm beschlossen und Scholz als Kanzlerkandidat bestätigt werden. Von seiner Rede erwarten die Genossen viel: Er soll darin deutlich machen, wofür er steht und warum er der Richtige ist, um das Land zu führen. Diesmal gehört die Bühne ihm fast alleine, viele solcher Gelegenheiten wird er bis zum Wahltag nicht mehr haben.

Die Rede muss sitzen – und sie muss Wirkung zeigen. Von Montag an soll die Partei dann in Wahlkampfstimmung kommen, schneller auf Fehler der anderen reagieren, härter angreifen, selbstbewusster sagen, was sie will, wünschen sich viele. Der rheinland-pfälzische SPD-Chef Roger Lewentz sprach ihnen aus dem Herzen, als er jüngst warnte, die Partei verpasse den Wahlkampfstart.

Sucht die Tuchfühlung der Vorsitzenden, anstatt ihnen zuweilen harte Ansagen zu machen und so Führung zu demonstrieren: Olaf Scholz mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
Sucht die Tuchfühlung der Vorsitzenden, anstatt ihnen zuweilen harte Ansagen zu machen und so Führung zu demonstrieren: Olaf Scholz mit Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
© Tobias Schwarz/AFP

Aber Olaf Scholz, der Motivator seiner Partei sein soll, trägt Ballast mit sich herum. Nur 22 Prozent halten ihn laut dem ARD-Deutschlandtrend für den glaubwürdigsten Spitzenkandidaten, Baerbock hat elf Prozentpunkte mehr. Auch geht es dabei um seine Entwicklung seit den Zeiten Gerhard Schröders, das Verhältnis der Partei zu ihm, seine wenig ausgeprägte Fähigkeit, Menschen zu begeistern, und seine fehlende Bereitschaft, Führung zu beanspruchen – notfalls im Konflikt mit seiner Partei.

[Lesen Sie auch: Esken und Walter-Borjans im Interview: „Die Union ist derzeit nicht regierungsfähig“]

Es ist fast ein Paradoxon: Olaf Scholz hat keinen Konkurrenten in der SPD, der ihm die Kanzlerkandidatur streitig machen wollte. Einen erfahreneren, glaubwürdigeren Politiker für dieses Amt gibt es nicht. Aber vor weniger als zwei Jahren wollte die Partei ihn nicht als Vorsitzenden. Im Mitgliederentscheid setzten sich Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans durch.

Seinen eigenen Weg hat Olaf Scholz nie erklärt

Zwar ging es damals nicht um ein Regierungsamt, aber über die emotionale Verbindung zwischen Scholz und seiner Partei sagt das Ergebnis viel. Er wird respektiert, nicht geliebt. 

Dazu beigetragen hat, dass er keine Erzählung fand für seinen Weg vom Generalsekretär Gerhard Schröders, der die Hartz-Reform verteidigte, zum Kandidaten einer Partei, die Hartz IV abschaffen will. Dabei muss man ihm nicht unterstellen, er sei diesen Weg nicht auch aus Überzeugung gegangen. Der Journalist Robert Misik schrieb kürzlich in der „Taz“, damals habe die SPD geglaubt, von der Entfesselung der Wirtschaft profitierten alle, heute versuche sie, etwa mit dem Mindestlohn, die Gesellschaft von unten wieder aufzubauen. So einfach hat Scholz seinen Weg nie erklärt.

Von Antoine de Saint-Exupéry stammt die Mahnung: Wenn du willst, dass Menschen ein Schiff bauen, gib ihnen keine Arbeitsaufträge, sondern entfache in ihnen die Sehnsucht nach dem offenen Meer. Scholz scheint dieser Satz des französischen Schriftstellers völlig fremd zu sein. Er ist kein emotionaler Redner, der den Menschen vom nächtlichen Sternenhimmel über dem Ozean oder dem Duft ferner Küsten vorschwärmen würde.

Sie bringt ein Erneuerungsversprechen in die Politik, das für Olaf Scholz und die SPD zum Problem werden kann: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.
Sie bringt ein Erneuerungsversprechen in die Politik, das für Olaf Scholz und die SPD zum Problem werden kann: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.
© F. Boillot/imago images / snapshot

Er erklärt lieber aufs Komma genau den Bauplan des Schiffes mit dem Namen „Deutschlands Zukunft“. Er selbst, so erweckt er den Eindruck, habe alles genau ausgerechnet, sogar den Anstellwinkel der Schiffsschraube. Das wirkt oft belehrend, manchmal arrogant.

Scholz scheint auf dem Weg vom Hamburger Bürgermeister zum Kanzlerkandidaten etwas von sich verloren zu haben. Damals galt er als Freund der Wirtschaft und harter Innenpolitik, sein Versprechen lautete: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie.“

Heute widerspricht er öffentlich den Parteichefs nicht, die viel weiter links stehen als er damals und Vorstöße unternehmen, die überhaupt nicht zum politischen Profil und zu den Überzeugungen des Kandidaten passen. Doch er scheut davor zurück, Konflikt- und Durchsetzungsfähigkeit im Verhältnis zur eigenen Partei zu zeigen. Ist die Geschlossenheit der SPD wirklich wichtiger als Zuspruch für den Kandidaten?

Kann die SPD zwischen Grünen und Union zerrieben werden?

Die letzte Herausforderung für Scholz ist relativ neu, aber nicht weniger gefährlich: Union und Grüne haben sich jeweils als Hauptgegner ausgemacht. Wenn sich im Wahlkampf die spannende Auseinandersetzung zwischen dem ökologischen Aufbruch und dem konservativen Beharren abspielt, kann die SPD aus dem Spiel gedrängt werden.

Was die sozialen Kosten der Klimawende angeht, ist sie kompetent. Aber bisher ist es ihr noch nicht gelungen, dieses Angebot so anschaulich in die Debatte einzubringen, dass keiner daran vorbeikommt. Führungsfähigkeit sprechen Scholz heute schon mehr Menschen zu als seinen Konkurrenten Baerbock und Laschet. Aber kann er das ausbauen?

„Die SPD findet durchaus große Sympathien in der Bevölkerung, aber sie schafft es nicht, Wählergruppen zu mobilisieren“, sagt Manfred Tautscher vom Sinus-Institut. Wenn Scholz nicht am Sonntag durchstartet, dürfte es schwer werden, daran bis zum Herbst noch etwas zu ändern. 

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