Wahl in Katalonien: Jetzt hilft nur noch Verhandeln
Wenn diese Wahl überhaupt eine Gewissheit gebracht hat, dann die der tiefen Spaltung Kataloniens. Ein Kommentar.
Die Wahl ist vorbei, doch die Krise kein bisschen entschärft. Die neuen Machtverhältnisse in Katalonien sind die alten – die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat wieder die absolute Mehrheit der Sitze im Regionalparlament. Die spanische Zentralregierung hatte tatsächlich gehofft, dass diese Abstimmung die Lage in Katalonien entspannen würde. Passiert ist im Grunde das Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass sich die katalanischen Separatisten sogar noch bestätigt sehen. Und dass sie den Druck auf Madrid erhöhen werden, über die Unabhängigkeit zu verhandeln.
Wenn diese Wahl überhaupt eine Gewissheit gebracht hat, dann die der tiefen Spaltung Kataloniens. Die politische Repräsentation trägt dabei groteske Züge. Die Separatisten haben durch das Wahlsystem zwar die absolute Mehrheit der Parlamentssitze in Barcelona, die Mehrheit der Wähler aber haben sie nicht hinter sich: 52,5 Prozent stimmten für Parteien, die eine Unabhängigkeit ablehnen.
Die Separatisten, die mit einem ersten Abspaltungsversuch im Herbst scheiterten, werden also endlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Unabhängigkeit gegen die andere Hälfte der Bevölkerung nicht durchsetzbar ist. Auch nicht gegen Spaniens Grundgesetz. Die Europäische Union machte in den letzten Wochen ebenfalls klar, dass sie eine einseitige Loslösung Kataloniens von Spanien niemals anerkennen wird.
Insofern ist die Ausgangslage in Katalonien heute doch etwas anders als Ende Oktober. Damals setzte Madrid die Separatistenregierung ab und ordnete an, dass so schnell wie möglich neu gewählt werden müsse – gestützt auf die spanische Verfassung, die ein solches Eingreifen erlaubt, wenn eine Regionalregierung den Weg der Legalität verlässt. Zudem ermittelt Spaniens Oberster Gerichtshof gegen 16 führende Separatisten wegen mutmaßlicher Rechtsbrüche: Sieben von ihnen, die wieder Abgeordnetenmandate eroberten, können derzeit nicht ins neue katalanische Parlament zurückkehren. Entweder weil sie in U-Haft sitzen, oder weil sie sich den Richtern entzogen und deswegen per Haftbefehl gesucht werden.
Puigdemonts Chancen bald zurückzukehren sind gering
Zu den Flüchtigen gehört Carles Puigdemont, Ex-Ministerpräsident, der nach dem Wahlsieg der Separatisten wieder in sein Amt will. Doch seine Chancen, aus dem Exil in Brüssel bald wieder zurückzukehren und sich zum Regierungschef küren zu lassen, sind gering. Er müsste mit seiner Verhaftung rechnen und könnte daher einem unbelasteten Kandidaten seiner Partei das Amt überlassen.
Doch auch Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy wird einsehen müssen, dass er mit seiner bisherigen kompromisslosen Haltung gegenüber Katalonien nicht weiterkommen wird. Der Dauerkonflikt zwischen Madrid und Barcelona wird sich nicht länger mit dem Beschwören der spanischen Einheit wegreden lassen. Stattdessen werden Dialog und politische Initiativen notwendig sein.
Welche das sein könnten? Zum Beispiel eine Reform der spanischen Verfassung. Die immer lauter werdenden Rufe der Regionen nach mehr Anerkennung und größerer Autonomie könnten in die Verfassung eingepasst werden. Dabei geht es auch um die Frage, ob einer Region nicht die gesetzliche Möglichkeit eingeräumt werden sollte, über ihre Zukunft abzustimmen. Der Wunsch sagt dabei längst nichts über das Ergebnis: In Schottland und im kanadischen Quebec haben legale Abstimmungen auch nicht zur Spaltung geführt.