Die C-Parteien im Maskensumpf: Jetzt geht es um die Existenz der Union
Es muss glaubhaft Schluss sein mit dem Wegschauen bei dubiosen Nebengeschäften. Das Amtsverständnis einiger christlicher Politiker ist toxisch. Ein Kommentar.
CDU und CSU müssen aufpassen. Es kann sie jetzt erwischen. Wirklich. Nichts ist in der Politik gottgegeben, auch nicht für Parteien, die sich christlich nennen. Das verschafft ihnen keinen Vorteil – im Gegenteil, sie werden immer wieder an diesem Anspruch gemessen. Zumal jetzt, da die Maskenaffäre in ihren Reihen voll durchschlägt.
Ja, es ist ein Schlag: für die Parteien, aber auch für die an der Spitze, die jeweils große Ambitionen haben. Armin Laschet, der neue CDU-Bundesvorsitzende, Markus Söder, der schon länger amtierende CSU-Chef – beide sind vereint in der Überlegung, ob es nicht doch noch etwas Größeres für sie geben kann, als Ministerpräsident zwei herausragender Bundesländer zu sein.
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Frei nach Goethe: Vorbei – in diesem Fall kein dummes Wort. Denn was noch vor wenigen Wochen als gleichsam ausgemacht galt, dass nämlich Deutschland nach der Bundestagswahl am 26. September wieder von einem aus der Union regiert wird, wieder einem Mann, ist heute beileibe nicht mehr so sicher.
Von wegen, dass es gegen CDU und CSU keine strategische Mehrheit geben kann und dass nur noch die Frage ist: Laschet oder Söder? Wenn das so weitergeht, können beide froh sein, auf ihren Posten als Länderregierungschefs zu bleiben. Dann hat Annalena Baerbock von den Grünen plötzlich tatsächlich noch die besten Chancen.
Das christliche Menschenbild wird zur Karikatur
Zuletzt sind die Unionsparteien unter 30 Prozent gerutscht, und die Tendenz ist fallend. Weil da eines zum anderen kommt: Die Affäre um Maskenbeschaffung in der Not, die ruchbar geworden ist und ganz offensichtlich erst am Anfang steht; und die Niederlagen der CDU bei den jüngsten Landtagswahlen.
Das lag an den Affären, aber auch an Personal und Programm, die keiner wollte. Eine toxische Verbindung: So kann Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes eine Karikatur werden.
Unethisch ist das Geringste, das sich sagen lässt über die Geschichte vom vielen Geld für viele Masken. CSU – das ist die Christlich-Soziale Union, so liest es sich ausgeschrieben. Sie will ausdrücklich auch eine Partei für die kleinen Leute sein.
Vor dem Hintergrund geht jetzt in der CSU die Furcht um. Was, wenn die jüngsten Berichte an ihr kleben bleiben wie vormals das Wort von den Machenschaften der „Amigos“? Dann werden nicht nur die Mitbewerber um die Wählergunst behaupten: Das ist der CSU in die DNA eingraviert.
Eine Katastrophe. Sowohl für die CDU als auch die CSU. Keine von beiden kann behaupten, besser als die andere da zu stehen – gleiches gilt für Söder und Laschet. Immerhin sind Ministerien in Bayern und im Bund betroffen.
Parteifreunde, Freunde, Amigos
Es geht um fast zwei Millionen Euro an Staatsgeld, CSU-Leute haben ihre Hand aufgehalten. Entsprechend geht es jetzt auch um viel mehr als um Geld: Der Kampf geht um Ehre und Zukunft. Die Spitzen von CDU und CSU tagen fast unablässig.
Von beiden Spitzenleuten lässt sich sagen, dass es ihnen nie ums Geld ging. Aber immer um Macht. Für die CSU war das im Wesentlichen nie ein Problem, erweckte sie doch schon vor Franz Josef Strauß selig – der überlebensgroßen Partei-Ikone und Söders Vorbild – den Eindruck, sie habe das schöne Bayern erst erschaffen. Dass dies auch mit Filz verbunden war: geschenkt. Wer wurde schon verurteilt, sie kannten einander, sie halfen einander. Parteifreunde, Freunde, Amigos.
[Mehr zum Thema: Ein Hauch von AKK - Armin Laschet und die Heckenschützen (T+)]
Jetzt aber geht mit der Pandemie unversehens eine Remoralisierung der Politik einher. Wo so viele so hohe Ansprüche an Solidarität und Gemeinwohlorientierung stellen, sie abfordern Mal um Mal, um die fortdauernde Krise als Gesellschaft gemeinsam zu bestehen, darf das niemanden verwundern. Schon gar nicht in den C-Parteien. Korruptionsvorwürfe vertragen sich nicht mit dem Signet der Nächstenliebe.
Brutalstmögliche Aufklärung ist der einzige Weg
Und deshalb sind Söder und Laschet herausgefordert wie nie. Denn auch der Konservative weiß: Wer bewahren will, der muss verändern, was er bewahren möchte. Wollen die zwei Vorsitzenden ihre Parteien vor dem tiefen Fall bewahren, muss dringend innerhalb der Parteien und nach außen sichtbar die Haltung verändert werden. Es muss eine neue Sichtweise dokumentiert werden. Von oben angefangen.
Wie das gehen soll in der Kürze der Zeit bis zum September? Durch brutalstmögliche Aufklärung. Sonst könnte es CDU und CSU ergehen wie ihrer einstigen Schwester, der großen Democrazia Christiana in Italien, der Regierungspartei, die zwischen 1945 und 1993 fast alle Ministerpräsidenten stellte. Die gibt es auch nicht mehr – endlose Korruptionsvorwürfe führten zu ihrem Ende.
So steigt denn also in beiden Parteien die Unruhe, wird hier und dort eine Kabinettsumbildung noch vor der Wahl gefordert, gleichsam als Befreiungsschlag und um wenigstens das Regieren im Bund als Erfolgsgeschichte beschreiben zu können. Nur hat das keine Aussicht auf Erfolg. Die Affären lassen sich nicht maskieren.
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