Chronisches Fatigue Syndrom ME/CFS: „Jens Spahn, Sie haben Post!“
Am internationalen ME/CFS-Tag am 12.5. protestieren jährlich Betroffene weltweit. Wegen Corona finden die Proteste diesmal nur virtuell statt.
Homeoffice und Unterricht in den eigenen vier Wänden, keine Konzerte, Urlaubsreisen oder Restaurantbesuche – was Millionen Menschen gerade während des Corona-Lockdowns erleben, ist für ME/CFS-Erkrankte Alltag. Menschen, die unter Myalgischer Enzephalomyelitis (ME) leiden, auch bekannt als das Chronische Fatigue Syndrom (CFS), kennen die heimische Isolation.
Die Krankheit beginnt meist mit einer Virusinfektion und führt zu extremer Erschöpfung und ständigen Schmerzen. Wie eine ewig andauernde Grippe beschreiben viele Patienten ihren Zustand. Schwere Konzentrations- und Kreislaufstörungen bis hin zu Atembeschwerden können zu kompletter Bettlägerigkeit führen.
ME/CFS gilt bisher als wenig erforscht. Es mangelt am Bewusstsein für das Krankheitsbild und vor allem an Forschungsgeldern. Am 30. April 2020 stimmte der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments einstimmig für den Antrag auf eine zusätzliche Finanzierung für die biomedizinische Forschung – ein wichtiger Schritt zur Anerkennung von ME/CFS als schwere Erkrankung.
Ein Lichtblick für die Forschung
„Es macht Hoffnung, dass auf europäischer Ebene das Leid der Betroffenen Anerkennung findet“, sagt Daniel Hattesohl, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS. Es sei jetzt an der Zeit, dass die deutsche Politik den erkannten Handlungsbedarf in konkrete Maßnahmen umsetze.
Anstoßgeber für die Petition war die an ME/CFS-Erkrankte Evelien Van den Brink aus den Niederlanden. Selbst stark erkrankt und bettlägerig trug sie im vergangenen Jahr im Petitionsausschuss liegend ihre Rede vor.
Im nun abgestimmten Antrag fordert der Petitionsausschuss unter anderem von allen Mitgliedstaaten eine gebührende Anerkennung von ME/CFS sowie die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel. Es müsse Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen für Fachkräfte des Gesundheitswesens und für die Öffentlichkeit geben, um die Bevölkerung auf die Existenz und die Symptome von ME/CFS aufmerksam zu machen. Eine Unterfinanzierung der biomedizinischen Forschung zur Myalgischen Enzephalomyelitis sei ungerechtfertigt.
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Anerkennung von ME/CFS
Wie die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS mitteilt, soll im nächsten Schritt eine Abstimmung in einer Plenartagung des EU-Parlaments stattfinden. Bereits im März fand im Bundestag das erste parlamentarische Fachgespräch über ME/CFS statt. Es wurde über die Schwere der Erkrankung, die gesundheitspolitische Tragweite und den dringenden Handlungsbedarf aufgeklärt.
CDU/CSU, SPD und Grüne seien seither bereit, sich für die Belange der ME/CFS-Betroffenen einzusetzen. Lediglich das Gesundheitsministerium mit Gesundheitsminister Jens Spahn zeige bisher wenig Interesse an der großen Not der Betroffenen, berichtet die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS.
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Zum internationalen ME/CFS-Tag am 12. Mai organisiert die Patienteninitiative #MillionsMissing Deutschland, die sich seit 2018 politisch für eine gleichwertige Versorgung ME/CFS-Erkrankter einsetzt, jährlich Protestaktionen. Ursprünglich waren in diesem Jahr in neun deutschen Städten solche Aktionen geplant. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie soll nun vor allem virtuell auf die Situation der Erkrankten aufmerksam gemacht werden.
Internationaler ME/CFS-Tag am 12. Mai
Claudia Schreiner, Sprecherin von #MillionsMissing Deutschland, betont, dass dringend ärztliche Versorgung und biomedizinische Forschung benötigt werden: „ME/CFS-Patienten verschwinden durch die Erkrankung aus der Gesellschaft und müssen über Jahrzehnte in unfreiwilliger Isolation leben.“ Das Bundesministerium für Gesundheit müsse die Versorgungskrise jetzt anpacken.
ME/CFS-Erkrankte schreiben deshalb im Rahmen der Aktion „Jens Spahn, Sie haben Post!“ zum internationalen ME/CFS-Tag Postkarten an den Gesundheitsminister. Aus ihrer jahre- oder jahrzehntelangen Isolation heraus fordern die Patienten Jens Spahn auf, endlich zu handeln.
Ein wichtiger erster Schritt sei laut #MillionsMissing Deutschland das Einrichten einer Expertenkommission. Oberstes Ziel sei zudem die Anerkennung des Missstandes, dass 250.000 Erkrankte bis heute keine adäquate medizinische und soziale Versorgung erhalten. Denn während für die gesunde Bevölkerung der Lockdown irgendwann ein Ende hat, ist für ME/CFS-Patienten bisher kein Ende der Quarantäne und unfreiwilligen Isolation in Sicht.
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