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EU-Ratschef Charles Michel (oben links) war der Gastgeber der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs.
© dpa

Die EU und die Pandemie: Jeder für sich allein

Ob es um Reiseregeln oder das Tempo zur Einführung von Impfausweisen geht - die EU tut sich schwer mit einem gemeinsamen Vorgehen in der Krise. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Die Vorstellung ist so naheliegend wie sinnvoll: Die EU, der Staatenverbund von 27 Ländern, zieht in der Pandemie an einem Strang. Impfstoffe werden gemeinsam geordert, die Mitgliedsstaaten einigen sich auf Reiseregeln in der Krise und den grenzüberschreitenden Umgang mit Geimpften. Eine schöne Vision. In der Praxis sieht es leider ganz anders aus.

Ein Jahr nach dem Beginn der Krise muss man feststellen: Es ist nicht so, dass die EU Corona im Griff hat. Eher umgekehrt: Das Virus droht die gemeinschaftliche Basis der EU-Staaten zu zermürben. Gäbe es nicht den milliardenschweren Wiederaufbaufonds, auf den man sich in Brüssel im vergangenen Jahr in einem beispiellosen Akt der Solidarität einigte, müsste man ziemlich schwarz sehen.

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Denn schon bei der zweiten großen Aufgabe, welche die Gemeinschaft neben der wirtschaftlichen Erholung zu meistern hat, tun sich die Schwächen der EU auf. Die Brüsseler Bestellung des Impfstoffs, die eine gefährliche Spaltung zwischen Ländern mit und ohne Vakzin verhindern soll, ist zur entscheidenden Bewährungsprobe für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen geworden. Wie beim EU-Videogipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs deutlich wurde, steht die Deutsche in vielen Mitgliedsstaaten weiterhin unter Druck, die Produktion der Vakzine auf europäischem Boden anzukurbeln.

Allzu viel vorweisen kann von der Leyen dabei noch nicht. Mehr Ausgaben für die Anpassung der Impfstoffe an die Virusmutanten, die beschleunigte Zulassung angepasster Vakzine, Appelle zum Abschluss von Produktionspartnerschaften unter den Herstellern – all das sind Vorhaben, die erst in der Zukunft Früchte tragen werden.

Von der Leyen muss auf zusätzliche Lieferungen ab April setzen

Kurzfristig muss von der Leyen darauf setzen, dass ab April tatsächlich wie angekündigt erheblich mehr Impfstoff von den Herstellern geliefert wird. Dabei wäre die EU insgesamt gut beraten, auch in der Öffentlichkeit den Druck auf den Konzern Astrazeneca aufrecht zu erhalten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass im Vereinigten Königreich der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers problemlos verimpft werden kann, während auf dem Kontinent ein Engpass herrscht.

Zum Problem wird für die EU zunehmend auch die Unfähigkeit der Mitgliedsstaaten, sich beim Waren- und Reiseverkehr untereinander abzusprechen. Vor zwei Wochen überraschte Innenminister Horst Seehofer die Nachbarn in Tschechien und Tirol mit der Ankündigung, dass wegen der Ausbreitung des Virus die Grenzkontrollen extrem verschärft werden. Ähnlich wie Deutschland gingen zahlreiche andere Mitgliedstaaten vor. Zuletzt machte die polnische Regierung Planungen zur Einführung von Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und der Slowakei öffentlich.

Wenn es hart auf hart kommt, agieren die Mitgliedsstaaten allein

Die strikten Grenzkontrollen zeigen: Wenn es hart auf hart kommt und angesichts rasant steigender Infektionszahlen in Nachbarländern schnell reagiert werden muss, dann handeln die Mitgliedsstaaten lieber im Alleingang. Im Grundsatz ist dagegen nichts einzuwenden. Kontrollen können das Virus bremsen. Zum Problem werden sie aber immer dann, wenn die Nachbarn – wie im Fall der deutschen Verordnung – vor mehr oder minder vollendete Tatsachen gestellt werden. Dass es auch anders geht, zeigen aktuell die Bemühungen in den Regionen auf beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze, die Pandemie gemeinschaftlich im Griff zu behalten.

Griechenland hat bereits Tourismus-Vereinbarung mit Israel

Mit den gegenwärtigen Grenzkontrollen sollen touristische Reisen unterbunden werden. Im Sommer soll der grenzüberschreitende Tourismus hingegen wieder möglich sein – zumindest wenn es nach dem Willen von Ländern wie Griechenland, Zypern oder Spanien geht.

Diese Staaten wünschen sich von der EU ein europaweites Impfzertifikat, das Geimpften den Flug in die Sonne erleichtern würde. Aber während die EU noch die Impfausweise plant, hat Griechenland schon gegenüber einem Drittstaat einen Alleingang gestartet – und den Zugang für geimpfte Touristen aus Israel ermöglicht.

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