Armuts-Risiko steigt: Jeder Fünfte Deutsche ist von Armut bedroht
16,5 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dies teilte das Statistische Bundesamt mit.
In Deutschland sind 16,5 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das sind 20,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese Zahl gab das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekannt. Danach steigt der Anteil der Armen im Vergleich zum Vorjahr weiter an. Für die gesamte Europäische Union liegt der Wert sogar noch höher: Jeder vierte EU-Bürger ist mittlerweile betroffen.
Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn sein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Für das Jahr 2014 lag sie für eine alleinlebende Person bei einem Einkommen von 987 Euro im Monat. Berechnet wird die Zahl anhand des durchschnittlichen Haushaltseinkommens. Außerdem gilt als gefährdet, wer von erheblicher materieller Entbehrung betroffen ist oder wer in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung wohnt.
Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes ist der Anstieg der Armutsgefährdung nach der letzten Messung mit 0,3 Prozentpunkten nur unwesentlich. Im Zusammenhang mit einer immer höheren Beschäftigungsquote sei ein Anstieg des Armutsrisikos aber in jedem Maße ein alarmierendes Zeichen. „Wenn das so weitergeht, wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden“, sagte Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler der Universität Köln und Experte für Armutsforschung. Grund dieser Entwicklung seien vor allem die prekären Beschäftigungsverhältnisse. Denn ein wachsender Niedriglohnsektor sei das Einfahrtstor in die Erwerbs- und Altersarmut. Auch die „Flickenteppich-Regelung“ beim Mindestlohn könne da nicht helfen, erklärte Butterwegge. Es gebe zu viele Ausnahmen, die die Unternehmen geschickt nutzen könnten – und ohnehin sei der Mindestlohn von 8,50 Euro zu niedrig: Auch zehn Euro pro Stunde reichten nicht aus, um für später vorzusorgen.
Die Europäische Union warnt seit Längerem vor einer steigenden Einkommensarmut. Das Europäische Statistikamt allerdings kommt zu einem anderen, noch alarmierenderen Ergebnis: Nach dessen Einschätzung liegt die Armutsgefährdung bei 25 Prozent. Die unterschiedlichen Werte ergäben sich daraus, dass bei beiden Messungen unterschiedliche Datenquellen genutzt worden seien, erklärte Butterwegge. Die EU beziehe auch qualitative Aspekte in die Ergebnisse mit ein. Das sei weitaus „vernünftiger“, weil dadurch auch persönliche Mangelsituationen besser erfasst würden.