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Geheimdienstaffäre in Luxemburg: Jean-Claude Juncker vor dem Aus

Eine Geheimdienstaffäre wie aus einem schlechten Spionagefilm droht Europas dienstältesten Regierungschef zu stürzen. Jean-Claude Juncker könnte am Mittwoch zurücktreten.

Eigentlich ist die Nationalversammlung in Luxemburg kein besonders hektischer Ort. Schwere rote Vorhänge, Stofftapeten und dicke Teppiche dämpfen jeden Laut vor dem Sitzungssaal, in dem sich die sechzig Abgeordneten des kleinen Landes treffen. Doch seit einigen Wochen „herrscht hier Chaos“, erzählen Mitarbeiter des Parlaments. Denn Luxemburg befindet sich mitten in einer Staatskrise und das heißt vor allem: Es wird eng für Jean-Claude Juncker.

Seit 18 Jahren ist er Premierminister von Luxemburg und damit der dienstälteste Regierungschef Europas – sogar Helmut Kohl regierte nur 16 Jahre. Doch nun droht Juncker über eine Geheimdienstaffäre zu stolpern. Am vergangenen Freitag hat der Untersuchungsausschuss des luxemburgischen Parlaments seinen Abschlussbericht vorgelegt. Fazit: Juncker trägt die politische Verantwortung für den teils völlig unkontrolliert agierenden nationalen Geheimdienst SREL. Der 58-Jährige ist qua Amt oberster Dienstchef der Behörde und soll von vielen illegalen Aktionen gewusst, sie aber nicht öffentlich gemacht haben. Juncker bestreitet die Vorwürfe, er sieht sich teils selbst als Opfer der Dienste. Heute wird es im Parlament die finale Debatte zum Bericht geben. Vier Stunden Redezeit soll Juncker beantragt haben, zwei Stunden wird er bekommen. Doch eine Mehrheit wird er wohl nicht mehr herbeireden können.

Denn die Sozialdemokraten – mit denen gemeinsam Junckers Christlich Sozialer Volkspartei (CSV) die Regierung bildet – haben sich dem Bericht angeschlossen, sie werden den Premierminister aller Wahrscheinlichkeit nach nicht weiter stützen. Damit hat Juncker im Parlament keine Mehrheit mehr. Ob er zurücktreten oder es eventuell zu einem Misstrauensvotum kommen wird, ist noch offen. Ein Termin für mögliche Neuwahlen gibt es dagegen schon: den 20. Oktober.

Die Geheimdienstaffäre war ursprünglich nur die Nebenerscheinung eines Gerichtsprozesses, der eine Serie von Bombenanschlägen vor zwanzig Jahren in Luxemburg aufklären soll. Angeklagt sind zwei Polizisten, ihnen wird vorgeworfen, sie hätten mit den Attacken auf Strommasten und öffentliche Gebäude mehr Mittel für die Polizei erpressen wollen. Weil die Anschläge lange nicht aufgeklärt wurden, entstanden Gerüchte über die Beteiligung von hochrangigen Beamten, sogar der Bruder des Großherzogs von Luxemburg geriet unter Verdacht. Dem Geheimdienst wird vorgeworfen, Ermittlungen über Jahre behindert zu haben.

Das Parlament richtete deshalb vor einem halben Jahr einen Untersuchungsausschuss ein. Dieser kam nach etwa 50 Sitzungen und zahlreichen Anhörungen – auch von Jean-Claude Juncker – zu einem vernichtenden Ergebnis: Der SREL habe jahrelang illegale Abhöraktionen durchgeführt, es gebe zahlreiche Fälle von Korruption und ein absolut intransparentes internes Regelwerk. Das parlamentarische Kontrollgremium sei über Jahre gezielt desinformiert worden. Es sei „mit Bitterkeit“ festzustellen, heißt es in den 27-seitigen Schlussfolgerungen, dass das Gremium „lediglich Alibi-Funktion“ habe.

Auch Juncker selbst wurde vom SREL mit Methoden bespitzelt, die an einen schlechten Agentenfilm erinnern. Ex- Geheimdienstchef Marco Mille schnitt ein Gespräch mit Juncker mit Hilfe einer präparierten Armbanduhr mit. Mille ist heute Sicherheitschef bei Siemens, das Verhältnis zu Juncker ist zerrüttet. Der Premier habe die Aktionen gestoppt, als „er davon Wind bekam“, heißt es im Bericht, aber er habe keine Konsequenzen gezogen und die Öffentlichkeit nicht informiert.

Die Opposition hatte schon vor mehreren Wochen den Rücktritt Junckers gefordert. Ein Misstrauensvotum scheiterte damals an den Sozialdemokraten. „Das Vertrauen von Parlament und Justiz in die Regierung ist stark erschüttert“, sagte der Chef der liberalen Partei DP, Xavier Bettel, dem Tagesspiegel. „Die Schlussfolgerungen der Kommission bestätigen uns auf ganzer Linie.“ Doch auch wenn die Regierung am Mittwoch kippt: Juncker gilt als begnadeter Wahlkämpfer und ist bei den Luxemburgern außerordentlich beliebt. Es ist nicht auszuschließen, dass er bei den Wahlen im Oktober erneut für seine Partei antritt – und gewinnt.

Elisa Simantke

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