Kapitulationstag: Japan wird von seiner Vergangenheit eingeholt
Vor 68 Jahren kapitulierte Japan im Zweiten Weltkrieg. Mit einer Entschuldigung für seine Aggression tut sich das Land weiterhin schwer. Premierminister Shinzo Abe ist der Letzte, von dem ein Schritt in diese Richtung zu erwarten ist.
Vor 68 Jahren übermittelte der damalige japanische Kaiser Hirohito folgende Worte an die Alliierten: „Wir haben unserer Regierung angeordnet, gegenüber den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, China und der Sowjetunion zu kommunizieren, dass unser Reich die Bedingungen ihrer gemeinsamen Erklärung akzeptiert.“ Der Satz besiegelte die Kapitulation des zerbombten und umzingelten Japans. Er war das Ende des Zweiten Weltkriegs.
Seither ist der Tag ein heikles Datum in Japan. Auch in diesem Jahr werden die politischen Lager wieder zu Hunderten oder Tausenden auf die Straßen strömen, um entweder gegen das Geschichtsbild der japanischen Nachbarn oder das der eigenen Regierung zu demonstrieren. Auch in anderen ostasiatischen Ländern wird protestiert. Es ist der Tag, an dem Japan von seiner Geschichte eingeholt wird und dem Land reichlich Kritik sicher ist. Denn eine richtige Entschuldigung für den Krieg von Seiten Japans bleibt bis heute aus.
Wiederholt hat es Schritte in diese Richtung gegeben. Am 15. August 1995, zum 50-jährigen Jubiläum des Kriegsendes, bekundete die Regierung das bisher am weitesten reichende Bedauern vergangener Aggressionen. Ein Schlüsselsatz in der Erklärung des damaligen Premierministers Tomiichi Murayama lautete: „Japan hat einst gewaltigen Schaden und Leiden an vielen Ländern und vor allem den Völkern Asiens angerichtet.“ Zehn Jahre später äußerte sich Premier Junichiro Koizumi ähnlich. Er fügte hinzu: „Wir akzeptieren diese historischen Tatsachen in Demut und drücken erneut unsere tiefe Reue und das Gefühl aufrichtigen Bedauerns aus.“
Nur werden diese Äußerungen, die auf dem Papier gut klingen, in der Tagespolitik allzu häufig untergraben. In regelmäßigen Abständen verharmlosen japanische Politiker bis heute die Rolle des Landes im Zweiten Weltkrieg. Gerade die aktuelle Regierung übt sich darin. Aus Südkorea gibt es Kritik an Japans notorischer Leugnung oder Verharmlosung von Kriegsbordellen, in denen Koreanerinnen japanischen Soldaten als Zwangsprostituierte dienen mussten. Den Umgang mit den so genannten Trostfrauen relativiert Premierminister Shinzo Abe, selbst Enkel eines verurteilten Kriegsverbrechers, immerzu. Er sei kein Historiker und könne deshalb nicht beurteilen, was sich damals ereignet habe, sagt er.
Die "Trostfrauen" und die Eroberung der Mandschurei sind in Japan kein Thema
Ein weiteres Thema, dessen sich der Premier nicht annehmen will, ist Japans Annexion der nordostchinesischen Mandschurei ab 1931, die gemeinhin als Invasion und Massentötung verstanden wird. Abe hat dazu wiederholt geäußert, der Begriff Invasion sei historisch nicht definiert, weshalb China und andere Länder ihn für Japans Geschichte nicht verwenden sollten. Einer sachlichen Diskussion sei so eine Rhetorik nicht zuträglich. „Das ist Quatsch“, sagt Yuki Tanaka, Politikprofessor an der Hiroshima City University. „Man muss nur kurz googeln, findet eine Definition und wird sehen, wie offensichtlich dieser Begriff sehr wohl zutrifft.“
Die Meinung von Tanaka teilen viele aufgeklärte Japaner und internationale Beobachter. Besonders prominent erklärte diese Woche der bekannte US-amerikanische Filmemacher Oliver Stone in Tokio, dass Japan sich endlich ehrlich und vollständig für seine Vergangenheit entschuldigen solle. „Überall in der Welt würde das die Titelseiten füllen.“ Japan solle gerade China nicht als seinen Feind betrachten. „Fangt mit einer Entschuldigung an für das, was ihr China und all den Menschen angetan habt. Langfristig könnten Japans und Chinas Interessen sehr ähnlich sein.“ Schließlich sind die beiden Länder füreinander wichtige Handelspartner und mit Abstand die größten Volkswirtschaften Asiens. Seit vor einem knappen Jahr ein Territorialstreit um die unbewohnten, aber strategisch wichtigen Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer ausbrach, sind Handel und diplomatische Beziehungen jedoch eingebrochen – zum Nachteil beider Länder.
Ob sich die Spannungen in Ostasien nach dem Jahrestag weiter verstärken, ist ungewiss. Auf außenpolitischen Druck hin hat Shinzo Abe angekündigt, den umstrittenen Yasukuni-Schrein, an dem neben Japans Kriegsgefallenen auch Kriegsverbrecher verehrt werden, am Jahrestag nicht zu besuchen. Seinen Ministern stellte er allerdings frei, diesen Schritt zu tun. Ohnehin hat Abe angekündigt, den Yasukuni-Schrein grundsätzlich als Premierminister besuchen zu wollen.
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