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Bildwechsel. Der Bundestagswahlkampf geht in Niedersachsen nahtlos in den Landtagswahlkampf über.
© Swen Pförtner, dpa

Wahl in Niedersachsen: Jamaika in weiter Ferne

Schon wieder eine Abstimmung: Der Landtag in Niedersachsen wird am 15. Oktober gewählt. Ein Dreierbündnis scheint danach wenig wahrscheinlich.

Die gegenseitige Abneigung sitzt tief. Alle demokratischen Parteien müssten miteinander reden können, betont Niedersachsens CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann immer wieder – um dann aber sofort klare Grenzen gegen die Grünen zu ziehen. „Mit diesem Agrarminister Christian Meyer kann es keinen Gesprächsfaden geben“, sagt der frühere Kultusminister. Gleiches gelte für die vielen anderen linksgerichteten Niedersachsen-Grünen. Meyer ist ein Kämpfer gegen die in Niedersachsen weitverbreitete Massentierhaltung und damit der erklärte Lieblingsfeind der Union. Er kontert wie erwartet: „Eine Koalition mit dieser rechtslastigen und rückwärtsgewandten CDU ist für uns jenseits aller Vorstellungskraft.“

Jamaika in Hannover scheint damit in weite Ferne zu rücken, zumal auch zwischen Liberalen und Grünen die persönliche wie inhaltliche Abneigung riesig ist. Autobahnausbau, Windkraft und Inklusion sind nur einige der vielen Konfliktpunkte. „Die Gräben sind sehr tief“, winkt FDP-Generalsekretär Gero Hocker Fragen nach einem Dreierbündnis ab.

Nur zwei Optionen

Dabei ist auch in Niedersachsen das schwarz-gelb-grüne Bündnis neben einer großen Koalition derzeit die einzig denkbare Option nach den vorgezogenen Neuwahlen in zweieinhalb Wochen. Nimmt man die niedersächsischen Ergebnisse der Bundestagswahl zur Orientierung, reicht es weder für eine Fortsetzung der rot-grünen Regierung unter Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) noch für eine Neuauflage der zwischen 2003 und 2013 herrschenden CDU/FDP-Partnerschaft. Die CDU kam am vergangenen Sonntag auf 34,9 Prozent, die SPD auf 27,4, die FDP auf 9,3, die AfD auf 9,1, die Grünen auf 8,7 und die Linken auf 6,9 Prozent. Sollten sich diese Stimmanteile am 15. Oktober bestätigen, säßen künftig mit den Neuzugängen AfD und Linke sechs statt vier Fraktionen im neuen Landtag.

Trotz dieser Zahlen setzen SPD und Grüne unverdrossen auf eine Verlängerung ihres Bündnisses. Ihre Hoffnungen nähren sich zum einen daraus, dass laut Umfragen die Mehrheit der Bürger mit Rot-Grün durchaus zufrieden ist. Zudem lagen für beide Parteien die Landtagswahlergebnisse immer weit über dem Bundestrend. „Niedersachsen ist nicht Berlin“, meint Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel tapfer und verweist auf die für das Land wichtigen Themen Tierwohl, Energiewende, gesundes Wasser und saubere Luft.

SPD spielt Amtsbonus aus

Die SPD wiederum spielt geschickt den Amtsbonus ihres Ministerpräsidenten aus. In den Umfragen liegt Weil weit vor seinem bislang unauffälligen CDU-Herausforderer. Mit einem personalisierten Wahlkampf, der die angeblich typisch niedersächsische Bodenständigkeit des Regierungschefs betonen soll, wollen die Sozialdemokraten den Abstand vergrößern und peinliche Vergabeaffären und Weils Agieren als VW-Aufsichtsrat vergessen machen. Als „sturmfest und stark“ beschreiben die Plakate Weil, der sich lässig im blauen Pulli präsentiert.

Eine große Koalition, schon gar mit der SPD als Juniorpartner, schließen der Ministerpräsident und seine SPD aus. „Unsere Beziehung zur CDU ist eher belastet als unbelastet“, erklärt Generalsekretär Detlef Tanke und erneuert den Intrigen-Vorwurf gegen die Union wegen des Übertritts der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Elke Twesten. Deren Wechsel hatte Anfang August die rot-grüne Mehrheit zum Platzen gebracht und die Neuwahlen ausgelöst. Selbstverständlich werde man diese Vorgänge auch im Wahlkampf anprangern, kündigen Weil und Tanke entschlossen an.

Kanzlerin soll Schwung bringen

„Unmoralische Angebote“ an die Abtrünnige hat CDU-Spitzenkandidat Althusmann stets abgestritten. Er schien zunächst sogar von dem um drei Monate vorgezogenen Wahltermin auf dem falschen Fuß erwischt worden zu sein. Nur langsam kam sein Wahlkampf in Gang. Inzwischen ist Althusmann mit der schrittweisen Nominierung seines Kompetenzteams so manche Überraschung gelungen. Der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung und frühere niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Günter Heiß soll im Falle eines CDU-Wahlsiegs Innenminister werden. Für das Justizressort hat Althusmann die Vorsitzende Richterin des Staatsschutzsenats am Düsseldorfer Oberlandesgericht, Barbara Havliza, gewonnen. Dort leitet sie Terrorprozesse wie gegen die „Sauerlandgruppe“ oder wie derzeit gegen drei mutmaßliche Islamisten, die wegen eines versuchten Anschlags auf das Düsseldorfer Altstadtfest angeklagt sind.

Den entscheidenden Schwung sollte beim offiziellen Wahlkampfauftakt an Mittwoch in Hildesheim die Kanzlerin bringen. Angela Merkel spricht dort in einer Halle am Flugplatz, wo sonst immer das Gruftie-Festival M’era Luna stattfindet. Der Auftritt der CDU-Chefin ist der erste von fünf in Niedersachsen – ihr Einsatz zeigt, wie wichtig das Land für die Union ist. Ob die SPD ihren gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz zur Unterstützung von Weil ins Rennen schickt, steht nach Angaben aus der Parteizentrale in Hannover noch nicht fest.

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