Rachel Dolezal will schwarz sein: Ist Rasse ein soziales Konstrukt?
Schwarz oder weiß? Die Amerikaner diskutieren die ungewöhnliche Geschichte der Bürgerrechtlerin Rachel Dolezal. Ein Porträt
Im amerikanischen Slang ist ein „Oreo“ jemand, der – wie der gleichnamige Keks – außen schwarz und innen weiß ist. Rachel Dolezal ist das Gegenteil: Sie ist eine Weiße – im amerikanischen Bürokraten-Slang eine Kaukasierin –, die sich als Schwarze fühlt. So sehr, dass sie in den vergangenen Jahren als Schwarze wahrgenommen werden wollte.
Mit Erfolg: Dolezal ist Professorin im African Studies Program der Eastern Washington University, und wenn sie dort Seminare zur Kulturgeschichte des schwarzen Haars veranstaltete, kam es offenbar niemandem in den Sinn, dass die Frau mit den krausen dunklen Haaren vorn am Pult nicht auch über ihre eigene biografische Erfahrung spricht. Im Januar war Dolezal zur örtlichen Vorsitzenden der „National Association for the Advancement of Colored People“ (NAACP), der einflussreichen Bürgerrechtsorganisation der USA, gewählt worden. Danach seien an sie adressierte Hassbriefe im Briefkasten der NAACP gelandet, hatte Dolezal der Polizei gemeldet.
Vergangene Woche traten Lawrence und Ruthanne Dolezal an die Öffentlichkeit und erklärten, dass ihre Tochter vor allem europäische Vorfahren habe. Auf den Kinderfotos ihrer Tochter ist ein hellhäutiges, blondes Mädchen mit glatten Haaren zu sehen. Seitdem führt das Land eine „nationale Debatte“ ("New York Times") über den Fall, auch, weil er in den Kontext der Geschlechtsumwandlung des ehemaligen Zehnkämpfers Bruce Jenner gestellt wird: Kann man schwarz werden, wie Bruce zur Frau geworden ist? Ist die Rasse ein soziales Konstrukt? Gleichzeitig prüfen die Universität und die Bürgerrechtsbewegung, ob Dolezal bei ihrer Bewerbung falsche Aussagen gemacht hat.
Dolezal begann sich für die Rassenfrage zu interessieren, nachdem ihre Eltern vier schwarze Kinder adoptiert hatten. Später heiratete sie einen afroamerikanischen Mann und wurde Vormund für einen ihrer Brüder. Sie selbst hat einen 13-jährigen Sohn. Inzwischen haben sich auch ihre Brüder geäußert. Seine Schwester habe ihn gebeten, ihre Täuschung nicht auffliegen zu lassen, sagte Ezra Dolezal gegenüber der „Washington Post“. Er verglich ihr Verhalten mit dem rassistischen „Blackfacing“.
Was ihre Eltern denken, interessiere sie einen Dreck, sagte die 37-Jährige. Sie wolle sich am Montag erst gegenüber ihren Kollegen vom NAACP äußern. Auf die Frage eines Reporters, ob sie Afroamerikanerin sei, antwortete Rachel Dolezal nur: „Ich verstehe die Frage nicht.“