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Am Tropf: Ist eine Transferunion der EU-Staaten unausweichlich?

Griechenland, Irland, Portugal – immer wieder müssen die EU-Staaten tief in die Taschen greifen, um den Euro-Krisenländern zu helfen. Ist eine Transferunion, also ein regelrechter Finanzausgleich, unausweichlich?

„Griechenland ist anders.“ So lautet das Urteil von Daniel Gros, Direktor des Brüsseler Think Tank „Centre for European Policy Studies“. Wenn der Ökonom von der Andersartigkeit Griechenlands spricht, dann hat er andere Länder im Blick, die vor ähnlichen Schuldenproblemen standen oder immer noch hart am Abbau des Defizits arbeiten. Gros erzählt von Lettland, das mitten in der Finanzkrise vom Staatsbankrott bedroht war und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Europäern mit Milliardenkrediten gerettet wurde. Lettland sei jetzt in der Lage, die Kredite zurückzuzahlen. Und auch Irland, das am Ende des vergangenen Jahres ein Rettungspaket von 85 Milliarden Euro zugesagt bekam, werde „letztendlich die Schulden zurückbezahlen“, ist Gros überzeugt. Im Falle Griechenlands lägen die Dinge aber anders. „Die Griechen werden wahrscheinlich ihre Schulden nicht komplett zurückbezahlen“, glaubt Gros.

Die Einschätzung des Experten befeuert die Debatte darüber, ob aus der Euro-Zone wegen der Schuldenkrise eine Transferunion wird – also ein System von Ausgleichszahlungen solider Staaten wie Deutschland an schwächelnde Länder wie Griechenland. Der Ökonom Gros ist sich angesichts der Abstimmung im Athener Parlament, die am Mittwoch den Weg für ein weiteres Hellas-Hilfspaket frei machte, in seiner Einschätzung bereits sicher. Das zweite Hilfspaket für Griechenland, das ein Volumen von bis zu 120 Milliarden Euro haben soll, sei doch bereits der Ausdruck einer Transferunion, sagt er.

Seine Rechnung geht so: Wenn nach dem ersten Griechenland-Hilfspaket vom Mai des vergangenen Jahres mit einem Volumen von 110 Milliarden Euro nun noch ein zweites Hilfsprogramm hinzukommt, werden die Hellenen bis Ende 2014 bei öffentlichen Geldgebern wie dem deutschen Staat und anderen EU-Ländern mit über 200 Milliarden Euro in der Kreide stehen. Weil es Gros für unwahrscheinlich hält, dass Griechenland von diesem Schuldenberg wieder ganz herunterkommt, ist die Gewährung des neuen Hilfsprogramms nach seinen Worten „wohl das, was man eine Transferunion nennt“.

Ein Ausgleich innerhalb der Euro-Zone zwischen starken und schwachen Staaten könnte auch anders zustande kommen – etwa durch die Einführung gemeinsamer europäischer Anleihen. Solche Euro-Bonds werden aber von der Bundesregierung abgelehnt, weil sie zu einer milliardenschweren Mehrbelastung der deutschen Steuerzahler führen würden.

Dass Griechenland unter den Krisenstaaten der Euro-Zone eine Sonderstellung einnimmt, zeigt auch ein Blick auf Portugal, das im Mai als drittes Land in der Euro-Zone ein Hilfspaket in Höhe von 78 Milliarden Euro von den Europäern und dem IWF zugesagt bekam. In Lissabon hat die Regierung des neuen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho am Dienstag ein ehrgeiziges Privatisierungsprogramm vorgelegt. So soll die Privatisierung der Bank BPN nach dem Willen von Coelhos Regierung bereits bis Ende Juli in die Wege geleitet werden. Krisenstaat ist also nicht gleich Krisenstaat. „Man muss sich sehr genau jedes Land einzeln anschauen“, sagte auch die neue IWF-Chefin Christine Lagarde am Mittwoch. Albrecht Meier

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