Erdogan nach dem gescheiterten Putsch: Ist die Türkei auf dem Weg in den Faschismus?
Die Angst geht um in der Türkei. Bedrohliche Neuigkeiten, Schlag auf Schlag. Es ist Zeit, Erdogan unmissverständlich zu antworten. Ein Kommentar
Da ist der „Führer“ als unangreifbare Autorität, der sich über die Regeln des Rechtsstaats stellt. Da ist der Putsch, der, wie ein sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter sagt, Recep Tayyip Erdogans „Reichstagsbrand“ sei. Danach kann er alle missliebigen Personen ohne viel Federlesens und bisher ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren ihrer Ämter entheben oder sie festsetzen.
Zehntausende Festnahmen sind es schon. Dazu Ausreiseverbote für Wissenschaftler, der Ausnahmezustand und das teilweise Aussetzen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Und die Todesstrafe soll Volkes Wille sein.
Überhaupt diese Reden, dieses Vokabular. Zum Beispiel noch vor dem Putsch die wütende Aufforderung, das Blut der deutschen Abgeordneten türkischen Ursprungs zu untersuchen. Oder die nationalistischen Sprüche nach dem Putsch, die die Massen aufwiegeln. Oder das An-den-Pranger-Stellen einer Gruppe, die alles Böse über die Türkei gebracht haben soll. Oder der architektonische Größenwahn, der am Präsidentenpalast in Ankara zu sehen ist.
Kritiker des Präsidenten fürchten, mundtot gemacht zu werden
Ist die Türkei auf dem Weg in den Faschismus? Das fragt ein deutscher Radiosender, und er ist nicht allein.
Kritiker des sich selbst ermächtigenden Präsidenten fürchten, mundtot gemacht zu werden. Selbst hier in Deutschland. Wer sie befragen will, hört schnell Absagen. Die Kritiker in Deutschland sorgen sich um ihre Verwandten in der Türkei, die in der Türkei um ihre Unversehrtheit. Angst geht um. Wer es nicht glaubt, der frage nach bei glaubwürdigen Institutionen am Ort. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung etwa.
Bedrohliche Neuigkeiten, Schlag auf Schlag. Wie lange soll das so weitergehen? Es ist Zeit, Erdogan unmissverständlich zu antworten: Die EU-Beitrittsgespräche – stoppen. Die Mitgliedschaft im Europarat – suspendieren. Die sechs Milliarden von der EU – stoppen. Die deutschen Soldaten – zurückholen. Noch mehr ist möglich. Erdogan muss wissen, wohin sein Kurs führen kann. Und dass er angreifbar ist.