Energie und Klima: Ist das Klimaschutzgesetz fortschrittlich - oder falsch?
Der Entwurf für ein Klimaschutzgesetz zieht gereizte Reaktionen nach sich. Beim Blick ins Gesetz erweisen sich diese zum Teil als unberechtigt.
Nach dem Bekanntwerden des Entwurfs für ein Klimaschutzgesetz aus dem Bundesumweltministerium (BMU) hat es seit Freitag weiter sehr gegensätzliche Reaktionen gegeben. Ein großer Fortschritt sei, dass den zuständigen Ministerien Verantwortung zugewiesen werde, sagte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, Simone Peter. „Jeder Sektor muss selbst liefern.“
Ministerien, die zu wenig CO2 einsparen, sollen nach dem Willen des BMU an den Kosten dafür beteiligt werden. Es geht hier vor allem um Zahlungen fürs Nichterreichen der EU-Emissionsziele in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Deutschland ist hier im Rahmen der sogenannten Lastenteilung eingebunden. Gerade für das Übertragen der Verantwortung an andere Ministerien wurde der Entwurf von dem CDU-Energieexperte Jens Koeppen gescholten. „Wer glaubt, mit Stichtagsregelungen und Daumenschrauben die Ressorts zu Einsparungen zwingen zu können, wird an den Pariser Klimaschutzzielen scheitern“, sagte er.
Verknüpfung mit dem EU-Emissionshandel
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, erneuerte seine Kritik vom Donnerstag. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) habe das System des EU-Emissionshandels ganz offensichtlich nicht verstanden. „Anders ist nicht zu erklären, dass sie nationale CO2-Einsparziele auch in den am Emissionshandel teilnehmenden Sektoren Energie und Industrie vorschreiben will, obwohl deren Emissionen bereits europaweit gedeckelt sind“, teilte er mit.
Das BMU hat diese Kritik offenbar vorhergesehen und schreibt in der Begründung des Entwurfs: „Dem Gesetz stehen auch die Vorgaben der EU-ETS-Richtlinie […] nicht entgegen.“ Zum einen sei es nach der Richtlinie nicht ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten eigene Regelungen erlassen, die auch die Emissionen von Anlagen im Anwendungsbereich des Emissionshandels umfassen. Zum anderen seien die im Gesetz genannten Sektoren Energie und Industrie nicht deckungsgleich mit den Energie- oder Industrieanlagen der Emissionshandelsrichtlinie. Vielmehr sollen die im Gesetz enthaltenen Ziele sicherstellen, dass auch Energie- oder Industrieanlagen, die nicht am EU-ETS teilnehmen einen „angemessenen Minderungsbeitrag“ erbringen. Gemeint sind kleinere Industrieanlagen, Kraftwerke mit weniger als 20 Megawatt Leistung und die Stromerzeugung durch Müllverbrennungsanlagen.
Allerdings drohen Deutschland für die Sektoren aus dem Emissionshandel keine Strafzahlungen wie in den Sektoren, die der Lastenteilung unterliegen. „Gleichwohl sieht der Gesetzentwurf auch für diese Sektoren ein Sofortprogramm bei Überschreitung der national festgelegten Emissionsmengen vor“, heißt es im Entwurf. Offenbar sind dem BMU die 2016 im Klimaschutzplan festgelegten nationalen Sektorziele näher als eine in absoluten Zahlen nicht garantierte Minderung aus dem Emissionshandel. Die Minderungen können überall in Europa erbracht werden, theoretisch ist denkbar, dass Deutschland keine Einsparungen erzielt, andere Mitgliedsländer umso mehr.
FDP-Klimaexperte Köhler warnt vor den Folgen
Weiter weist das BMU darauf hin, dass mit den im Gesetzentwurf genannten Fristen für Gegenmaßnahmen beim Verfehlen der Ziele ein zeitlicher Gleichlauf mit der europäischen Klimaschutzverordnung sichergestellt würde. Laut der Verordnung müssen die Mitgliedstaaten der EU-Kommission nämlich einen Plan für Abhilfemaßnahmen vorlegen, falls sie ihr jährliches Emissionsminderungsziel nach der Bewertung der Kommission verfehlen. Ein Maßnahmenprogramm ist also auch auf europäischer Ebene bereits vorgesehen.
Trotzdem warnt Köhler vor den Folgen: „Völlig unklar ist, welcher Art die Sofortmaßnahmen sein sollen, die im Falle verfehlter Ziele in den einzelnen Sektoren ergriffen werden sollen. Ich fürchte allerdings, dass Umweltministerin Schulze mit Unterstützung von Grünen und Linken auch bereit wäre, Fabriken stillzulegen, deutschlandweite Fahrverbote auszusprechen oder die Nutzung von Öl- und Gasheizungen zu beschränken“, sagte er.
Jedoch sieht das Gesetz keine Einflussnahme des BMU auf die anderen Ministerien vor. Vielmehr heißt es zu den Sofortmaßnahmen: „Im Falle der Überschreitung der Jahresemissionsmenge eines Sektors besteht eine Initiativpflicht der Bundesregierung zum Beschluss eines Sofortprogramms von zusätzlichen Maßnahmen. Das für den Sektor verantwortliche Bundesministerium ist zur Vorlage verpflichtet.“ Angesichts dieser Vorgaben hält es der Politikberater Arne Jungjohann allerdings für „höchst unwahrscheinlich“, dass die große Koalition mit dem neuen Klimagesetz voranschreitet, sagte er dem Portal Clean Energy Wire. Die Entscheidung von Schulze, den Entwurf ohne Vereinbarung mit dem Koalitionspartner vorzulegen, sei „ein Hinweis auf einen taktischen Schritt. Die SPD will Führungsstärke unter Beweis stellen und ihr Profil in dieser Frage schärfen“, sagte Jungjohann.
Der Beitrag erschien zuerst in unserem Entscheider-Briefing Tagesspiegel Background Energie & Klima.