Merkels Besuch in der Türkei: Islamisten unterrichten angeblich syrische Flüchtlingskinder
Merkel drohen neue Probleme: In der Türkei sind angeblich Islamisten Lehrer für syrische Kinder. Und Ankara fordert vehement die rasche Visafreiheit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die EU geraten bei ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage immer weiter unter Druck. Während Merkels Kurzbesuch in einem türkischen Flüchtlingslager in der Nähe der syrischen Grenze am Wochenende wurde der Vorwurf laut, dass Islamisten die Schulausbildung für syrische Flüchtlingskinder für ihre Zwecke ausnutzen. Ursprünglich hatte Merkel die türkische Grenzstadt Kilis besuchen wollen. Wegen des ständigen Beschusses der Stadt durch die Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) in Syrien war die Visite jedoch in die Kleinstadt Nizip, rund 20 Kilometer nördlich der syrischen Grenze, verlegt worden.
Dort schaute sich Merkel in einem Camp eine Schule an, in der syrische Lehrer die Kinder der Flüchtlinge unterrichten. Die EU unterstützt solche und andere Projekte mit bis zu sechs Milliarden Euro. Doch der regierungskritische türkische Journalist Abdullah Bozkurt warnt, die Schulbildung für syrische Kinder in der Türkei liege in der Hand von Islamisten. In vielen der für die Flüchtlinge eingerichteten Behelfsschulen seien islamistische Verbände aktiv, die von der islamisch-konservativen Regierung in Ankara dazu ermuntert würden, schrieb Bozkurt auf Twitter. „Offenbar betrachtet die türkische Regierung die Schulbildung für syrische Jugendliche als Instrument zur Erziehung einer islamistischen Generation, die ihre eigene Ideologie unterstützt.“ Merkel hatte bei ihrem Besuch auf umfassende Schulbildung von Flüchtlingskindern gepocht. Die EU müsse sich so engagieren, das alle Kinder zur Schule gehen könnten.
Premier Davutoglu nennt die Visafreiheit für Türken „essentiell“
Bei dem als Werbung für den umstrittenen Flüchtlings-Deal zwischen EU und Türkei gedachten Besuch von Merkel, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionsvize Frans Timmermans in Nizip erinnerten die türkischen Gastgeber zudem an die EU-Zusage der Visafreiheit. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu betonte, die Rücknahme von Flüchtlingen aus Europa durch die Türkei werde nur funktionieren, wenn die Visapflicht für Türken abgeschafft werde. Dies sei für die Türken „essentiell“. Schon mehrmals hat Ankara damit gedroht, die Vereinbarung mit Europa wieder aufzukündigen, wenn die EU beim Thema Visa zögern sollte.
Angesichts der Tatsache, dass der Deal in den vergangenen Wochen die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge rapide sinken ließ, hat diese Drohung für Merkel und andere EU-Politiker Gewicht. Nach UN-Angaben kommen derzeit nur noch rund 130 Menschen pro Tag aus der Türkei in Griechenland an – im März waren es noch 870, im vergangenen Sommer zeitweise mehrere tausend.
Das türkische Parlament beginnt in den kommenden Tagen mit der Verabschiedung neuer Gesetze für das visafreie Reisen, für das laut Davutoglu bis Ende Mai alle Voraussetzungen unter Dach und Fach sein sollen. Einen Monat später sollen Türken Ankara zufolge visafrei nach Europa reisen dürfen. In der EU und auch in den deutschen Unionsparteien ist das Thema jedoch äußerst umstritten. Medienberichten zufolge sind Deutschland und andere EU-Staaten gegen eine völlige Aufhebung der Visabeschränkungen – doch dies dürfte von der Regierung in Ankara als unannehmbar abgewiesen werden.
Weiter Differenzen bei Presse- und Meinungsfreiheit
Beim Thema Presse- und Meinungsfreiheit rechtfertigte Davutoglu das Einreiseverbot für den ARD-Journalisten Volker Schwenck. Er sei in der Türkei nicht akkreditiert. Während Merkels Besuch wurde eine niederländische Journalistin in der Türkei wegen ihrer Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan festgenommen. Davutoglu spielte bei einer Pressekonferenz mit Merkel auch auf den Fall des Satirikers Jan Böhmermann an, gegen den wegen angeblicher Erdogan-Beleidigung in Deutschland ermittelt wird. Die Pressefreiheit hänge auch mit der Menschenwürde zusammen. Merkel sagte, sie sei nicht immer einer Meinung mit der Türkei.