Verfassungsschutz: Islamisten missbrauchen Lage der Flüchtlinge
Gerade junge, unbegleitete Flüchtlinge könnten eine leichte Beute für Islamisten werden. Die Salafistenszene bekommt offenbar auch Unterstützung aus dem Ausland.
Der Verfassungsschutz befürchtet, dass Salafisten versuchen aus dem Flüchtlingsandrang Kapital zu schlagen. „Es bereitet uns große Sorge, dass Islamisten in Deutschland unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe versuchen, die Situation der Flüchtlinge gezielt für ihre Zwecke zu missbrauchen, Asylbewerber zu missionieren und zu rekrutieren“, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, in Berlin. „Unser Augenmerk liegt besonders auf jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen, die eine leichte Beute der Islamisten sein könnten.“ Hier liege erhebliches Radikalisierungspotenzial.
Häufig versuchten Salafisten über Spendenaktion, Gespräche über die Religion oder auch Hilfestellungen bei Behördengängen an die Flüchtlinge heranzukommen. Maaßen betonte aber auch, dass seiner Behörde bislang „keine belastbaren Erkenntnisse vorliegen, dass dschihadistische Gruppierungen die Flüchtlingsströme zielgerichtet zur Infiltration des Bundesgebietes durch Einzeltäter oder Gruppen genutzt haben“. Es gebe aber immer wieder entsprechende Hinweise, denen die Verfassungsschutzbehörden und die Polizei in jedem Einzelfall umfassend nachgingen.
Gewaltbereite Szene vermischt sich zunehmend
Die Salafistenszene in Deutschland erhält bei ihren Versuchen, Flüchtlinge zu agitieren, offenbar auch Hilfe aus Großbritannien. Eine islamistische Gruppe aus England hat nach Informationen des Tagesspiegels in Bayern und in Nordrhein-Westfalen versucht, an Asylbewerber heranzukommen. Die Salafisten seien allerdings im Rheinland von den Betreibern zweier Unterkünfte für Flüchtlinge abgewiesen worden, heißt es in Sicherheitskreisen. Die Gruppe stehe mutmaßlich in Kontakt zu dem von Neuss aus tätigen Verein „Helfen in Not“.
Auswirkungen habe das Flüchtlingsthema auch auf den Rechtsextremismus. „Sorge bereitet uns, dass die Proteste einer Mischszene aus gewaltorientierten Rechtsextremisten, Fußballhooligans und aufgebrachten Bürgern ein erhebliches Eskalationspotenzial aufweisen“, warnte Maaßen. Hinzu kämen Wechselwirkungen durch Gegenproteste von Linksextremisten.
Nach BfV-Angaben ist die Zahl der mit Kampferfahrung aus den Gebieten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak zurückgekehrten Islamisten in den vergangenen drei Monaten auf über 70 gestiegen. Das ist ein im Vergleich zu den Vormonaten relativ starker Anstieg. Diese Rückkehrer gelten als besonders gefährlich.
Vor drei Monaten gab es noch bei etwas mehr als 50 Rückkehrern Erkenntnisse, dass sie Kampferfahrungen gesammelt haben. In den Monaten zuvor war ein signifikanter Anstieg nicht zu erkennen. Das Verhältnis von Ausgereisten zu Rückkehrern ist indes in den vergangenen Monaten in etwa gleich geblieben: Ein Drittel der Ausgereisten ist bisher wieder zurückgekommen.
Auch die Zahl der aus Deutschland ausgereisten Islamisten, die in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind, ist deutlich gestiegen. Waren es Ende Juni noch rund 100 Fälle, bei denen es entsprechende Hinweise gab, liegt die Zahl nun bei 120. Ende April waren es 85.
Zahl nach Syrien und Irak ausgereister Islamisten weiter gestiegen
Weder diese Zahl noch der Flüchtlingsstrom haben aber offensichtlich dazu geführt, dass für Islamisten die Attraktivität einer Ausreise in die IS-Kampfgebiete nachlässt. So ist die Zahl der aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak gereisten Islamisten auf 740 gestiegen - im Juni waren es noch etwa 700. Auch die Zahl der Frauen, die unter ihnen waren, liegt nun deutlich höher. Waren es vor drei Monaten noch annähernd 100 ausgereiste weibliche Islamisten, sind es jetzt rund 150 - die Quote ist demnach von rund 14 Prozent auf etwa 20 Prozent gestiegen.
Auch der Anstieg der Zahl der radikalislamischen Salafisten in Deutschland bereitet den Verfassungsschützern weiterhin große Sorgen. Sie ist auf 7900 gewachsen - im Juni waren es noch 7500 Salafisten, die westliche Demokratien ablehnen und eine „islamische Ordnung“ als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform ansehen. Anfang 2015 wurden etwa 7000 Salafisten gezählt, 2011 waren es halb so viele. (Mit dpa)