Angriff auf Christen: Irak: Ein Blutbad und seine Folgen
Bei einer Geiselnahme des Terrornetzwerks Al Qaida in einer katholischen Kirche in Bagdad sind am Sonntagabend Dutzende Menschen getötet oder verletzt worden. Welche Folgen hat das für die Christen im Irak?
Papst Benedikt XVI. sprach nach dem Geiseldrama in der syrisch-katholischen Kathedrale von „absurder und grausamer Gewalt“, die deutschen Bischöfe von einem „mörderischen Fanatismus“. Nach Berichten überlebender Augenzeugen hatte ein Dutzend Terroristen in Militäruniformen das Gotteshaus am Sonntag während der Abendmesse gestürmt und den Priester am Altar sofort vor den Augen der rund 120 entsetzten Beter hingerichtet. Ein Teil der Attentäter trug Sprengstoffgürtel, andere verschanzten sich mit Gewehren und Handgranaten hinter Kindern. Auf einer Al-Qaida-Website bekannte sich die Terrorgruppe „Islamischer Staat Irak“ zu dem Angriff auf die „schmutzige Höhle der Gotteslästerung“ und verlangte die Freilassung von Gesinnungsgenossen in Irak und Ägypten. Gleichzeitig kündigte die Gruppe ähnliche Angriffe auf die koptische Kirche in Ägypten an, der sie vorwirft, zwei zum Islam konvertierte Ehefrauen koptischer Priester in Klöstern gefangen zu halten.
Etwa zwei Stunden später stürmten irakische Spezialkräfte mit amerikanischer Unterstützung die Kathedrale, nachdem die Geiselnehmer offenbar mit der systematischen Erschießung ihrer Opfer begonnen hatten. Wie Überlebende berichteten, gab es gleich zu Beginn der Polizeiaktion zwei Explosionen, ausgelöst durch Selbstmordgürtel der Attentäter. Bei den anschließenden Feuergefechten wurden nach irakischen Angaben acht Geiselnehmer getötet und fünf gefangen genommen. Nach dem Einsatz hatte es in der Nacht zunächst aus dem Innenministerium geheißen, es seien sieben Geiseln ums Leben gekommen. Erst am Montagmorgen gestanden die irakischen Behörden das Ausmaß der Katastrophe ein. Aus Polizeikreisen hieß es, die meisten Geiseln seien während der Befreiungsaktion ums Leben gekommen. Vielen Verwundeten wurden Hände und Füße abgerissen, weil die Selbstmordgürtel mit Eisenkugeln gefüllt waren.
Von Seiten christlicher Politiker im Irak gab es Kritik an dem Vorgehen der Polizei. Zahlreiche Menschen seien gestorben, weil die Sicherheitskräfte „wenig professionell und überhastet“ vorgegangen seien, kritisierte der Parlamentsabgeordnete Yonadam Yousef Kanna. Die Sayidatal-Nejat-Kathedrale gehört zu den größten Gotteshäusern Bagdads. Sie liegt im wohlhabenden Stadtteil Karrada nahe der Grünen Zone, wo es ein Netz von Straßensperren und Kontrollpunkten gibt. Der irakische Verteidigungsminister kritisierte die „Nachlässigkeit“ der Wachposten.
Vor der amerikanischen Invasion 2003 lebten im Zweistromland rund 1,2 Millionen Christen. Mehr als zwei Drittel sind inzwischen ins Exil gegangen – ein Exodus, der sich nun weiter beschleunigen dürfte. Nach wie vor stranden Familien mit Touristenvisa in Jordanien und Syrien, weil sie Morddrohungen erhalten haben oder Angehörige entführt worden sind. So waren im Januar 2008 neun Kirchen in Mossul, Kirkuk und Bagdad durch eine Bombenserie beschädigt worden. Einen Monat später wurde der chaldäische Bischof von Mossul ermordet. Im Oktober 2008 flohen mehrere tausend Christen aus Mossul in den kurdischen Norden, nachdem Terrorkommandos wahllos christliche Familien erschossen hatten. Erst Mitte Oktober hatte sich eine vatikanische Synode mit dem Schicksal der orientalischen Christen befasst, die sich immer stärker von islamischen Fanatikern bedroht fühlen. Zu diesem in der Kirchengeschichte einzigartigen Krisentreffen mit Papst Benedikt waren 150 Bischöfe und Patriarchen aus der Region nach Rom gereist.