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Nach Kämpfen im Sperrgebiet von Tschernobyl: Internationale Atomenergiebehörde fordert Sicherheit ukrainischer AKW

Im Sperrgebiet von Tschernobyl soll es schwere Gefechte gegeben haben. Sorge bereiten aber vor allem mögliche Kämpfe nahe der aktiven Atomkraftwerke.


Die Gefechte rund um das Gelände des 1986 havarierten Kernkraftwerks Tschernobyl könnten zusätzliche radioaktive Strahlung freigesetzt haben. An einer „erheblichen Zahl von Beobachtungspunkten“ in der Sperrzone des Kernkraftwerks Tschernobyl sei die Dosis an Gammastrahlung gestiegen, berichtete die nukleare Aufsichtsbehörde der Ukraine am Freitagmorgen auf Facebook.

Wenige Stunden später gab sie vorerst Entwarnung. Experten begründeten den Anstieg damit, dass durch die Kampfhandlungen und die Bewegung schweren Militärgeräts die oberste Erdschicht aufgewühlt und radioaktiver Staub freigesetzt werde. Allerdings riefen die Kämpfe nahe der Anlage die Sorge hervor, der Sarkophag des havarierten AKW könne Schaden nehmen. Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) äußerte diese Befürchtung, teilte jedoch am Freitagabend mit, dass die Strahlungswerte innerhalb der bisherigen Messungen in der Sperrzone lägen. „Deshalb stellen sie keine Gefahr für die Öffentlichkeit dar“, schrieb die Organisation in Wien.

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Das russische Verteidigungsministerium meldete am Freitag, den zerstörten Atomreaktor eingenommen zu haben. Dies hatten am Donnerstag bereits ukrainische Offizielle berichtet, die teils von „erbitterten“ Kämpfen sprachen. Der Unglücksreaktor könne daher nicht mehr als sicher angesehen werden, es handele sich um „eine der ernstesten Bedrohungen für Europa“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak.

Gefahr bei Beschädigung laufender AKW viel höher

Tatsächlich soll das Gelände um Tschernobyl sehr stark umkämpft gewesen sein. Militärexperten zufolge spielt der Standort eine wichtige Rolle beim Vormarsch russischer Truppen aus Belarus auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. „Es ist der kürzeste Weg von A nach B“, sagte James Acton von der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden. Eine Einnahme Tschernobyls sei für sich genommen militärisch nicht entscheidend, allerdings erleichtere sie den Marsch russischer Truppen auf Kiew, sagte auch Jack Keane, ein ehemaliger General der US-Armee der Nachrichtenagentur Reuters.

Russland will nach Angaben seines Verteidigungsministeriums nun Fallschirmjäger nach Tschernobyl entsenden, um die AKW-Ruine abzusichern. Die Radioaktivität auf dem Gelände bewege sich im normalen Bereich, sagte ein Sprecher am Freitag in Moskau weiter.

Weitere Risiken könnten allerdings bei Kampfhandlungen nahe der vier weiteren AKW entstehen. IAEA-Chef Rafael Grossi berichtete am Freitag zwar, dass die Betriebssicherheit der aktiven AKWs in der Ukraine gewährleistet sei. Dennoch sei er zutiefst besorgt über die Lage in dem Land. Bereits vor wenigen Tagen rief er zu maximaler Zurückhaltung auf, „um die Atomanlagen des Landes vor Gefahren zu bewahren“.

Carnegie-Experte James Acton sagte ebenfalls mit Blick auf Tschernobyl, eine weit größere Gefahr gehe von den noch aktiven ukrainischen Atomkraftwerken aus. „Das Risiko von Kämpfen dort wäre signifikant höher“, sagte er.

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