US-Wahl: Informationelle Selbstverteidigung
Der rechte TV-Sender Fox-News könnte mit seiner populistischen Berichterstattung Donald Trump zum Präsidenten machen.
Das pralle Leben hat ein Faible für Ironie. In dem Moment, in dem Donald Trump Präsidentschaftskandidat wird, muss einer seiner Schöpfer die Bühne verlassen. Ohne Roger Ailes, den seit 20 Jahren fast allmächtigen Chef des konservativen TV-Senders Fox-News, gäbe es keine Mediendominanz der Republikaner im politischen Diskurs der USA, keine Tea Party – und keinen Kandidaten Trump.
Ailes hat das Lagerdenken in den Medien und unter Mediennutzern perfektioniert. Angeblich verfolgten die „Mainstream“-Journalisten – wahlweise auch „Lamestream Media“ genannt – eine linke Agenda. Sie hätten sich zu einem Diktat der „Political Correctness“ verschworen, in der Teile der Realität ausgeblendet würden. Die Gründung eines Senders, der die „Wahrheit“ berichtete und die amerikanischen Werte hochhielt, so wie sie die weiße Mehrheit in den konservativen „Red States“ verstand, erschien da wie ein Akt der informationellen Selbstverteidigung.
Mit diesem Konzept und der Anfangsinvestition von Rupert Murdoch machte Ailes Fox-News zum meist genutzten Nachrichtensender in den USA. 5,8 Millionen sahen vergangenen Mittwochabend auf Fox-News, wie Ted Cruz die Wahlempfehlung für Donald Trump verweigerte und später Vizekandidat Mike Pence zu den Delegierten sprach. Bei CNN waren es drei Millionen, beim linken Sender MSNBC 1,3 Millionen. 2015 machte Fox-News mehr als zwei Milliarden Dollar Gewinn.
Die Fronten sind verhärtet
Fox-Stars wie Bill O’Reilly, Sean Hannity, Greta van Susteren, Laura Ingraham zementieren seit Jahren eine Weltsicht, in der Washington und insbesondere die Demokraten korrupt sind. In der zu viel über weiße Polizeigewalt und zu wenig über schwarze Kriminalität gesprochen wird. In der Minderheiten wie die Homosexuellen in den großen Metropolen unverhältnismäßige Aufmerksamkeit erhalten, aber niemand sich mit den Alltagsnöten der heterosexuellen, hart arbeitenden Bürger in „Small Town America“ beschäftigt, obwohl sie die Mehrheit bilden.
Nun ist Roger Ailes zurückgetreten. Gretchen Carlson, ehemalige Miss America und Ex-Fox-Moderatorin, beschuldigte ihn der sexuellen Belästigung. Megyn Kelly, die durch ihre Kontroverse mit Donald Trump in einer Kandidatendebatte noch bekannter wurde, und andere weibliche Angestellte schlossen sich den Vorwürfen an.
Rupert Murdoch versüßte dem 76-jährigen Ailes den Abgang mit 40 Millionen Dollar Abfindung – und übernahm als Interimschef die Geschäfte. Ailes soll nun angeblich Trump im Wahlkampf beraten. Er hatte großen Anteil daran, Richard Nixon, Ronald Reagan und George H. W. Bush zu Präsidenten zu machen. Seine eigene TV-Karriere – weitere Ironie der Geschichte – hatte in den 1960er Jahren in Cleveland und Philadelphia begonnen, den Städten der beiden Parteitage 2016. Fox-News ist als dezidiert konservativer Sender so erfolgreich, dass regional nun Konkurrenten antreten – so groß ist der Kuchen, der da offenbar zu verteilen ist.
Deutschland wird nicht ewig immun gegen Populismus bleiben
Und Deutschland? Viele Trends aus den USA kommen früher oder später über den Atlantik. Auch solche, bei denen viele das lange für unmöglich erklärten. Massenschießereien? Typisch USA, nicht bei uns! Das hieß es auch nach Erfurt und Winnenden noch lange. Die Reaktionen in den USA auf die Shootings galten als unzureichend. Gegen psychisch kranke Schützen helfe eine Verschärfung der Waffengesetze nicht? Das seien billige Ausreden. Nach München sieht sich Deutschland im selben Dilemma. Simple Abwehrstrategien gegen Kranke mit illegal beschafften Waffen gibt es nicht.
Ein Spitzenkandidat Trump? Die spinnen, die Amis, in Deutschland undenkbar! Dabei haben auch in Europa vielerorts ähnliche Populisten Erfolg. Deutschland wird nicht ewig immun bleiben.
Auch der Boden für einen konservativen Sender ist heute fruchtbarer als früher. Die öffentlich- rechtlichen Anstalten haben ihre Deutungshoheit verloren. Klagen über die „Lügenpresse“ sind nach Köln und den Erfahrungen mit den Folgen der Flüchtlingspolitik weitverbreitet. Bisher haben sich die privaten Sender auf Film und Entertainment konzentriert und sich kaum um das politische Talkshow-Geschäft gekümmert. Doch ihre Nachrichtensendungen haben bereits gute Einschaltquoten. Wenn ein Rupert Murdoch käme, einen Sender aufbaute, der den Ärger über „linkslastige“ Öffentliche nutzte und, zum Beispiel, auf reißerische Weise Flüchtlingskriminalität und die Finanzierung linker Protestgruppen zum Thema machte – wie sähe unsere Medienlandschaft in zehn Jahren aus?