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Nicht nur Eishockey verbindet Lukaschenka (links) und Putin.
© imago/ITAR-TASS

Weißrussland wählt: In Putins Händen

Die Parlamentswahl in Weißrussland könnte die letzte in einem unabhängigen Staat sein. Russland drängt auf eine Mini-Sowjetunion.

Ein Machtwechsel steht auch diesmal nicht auf dem Programm, wenn am Sonntag in Weißrussland das Parlament gewählt wird. Der 65-jährige Alexander Lukaschenko führt den osteuropäischen Staat seit einem Vierteljahrhundert in fünfter Amtszeit autokratisch – und er gibt die Macht nicht aus der Hand. Zunächst jedenfalls nicht. Doch Russland steigert den Druck auf den kleinen Nachbarn derzeit massiv. Diese Parlamentswahlen könnten so zu den letzten in einem souveränen Staat Weißrussland werden, fürchten nicht nur Oppositionelle in Minsk.

Für Moskau soll nun endlich zusammenwachsen, was zusammengehört. Beide Staaten haben 1999 einen Unionsvertrag geschlossen. Die Pläne waren grandios: eine Föderation mit einer Währung, mit gemeinsamem Rechtssystem, Wirtschaftsraum, Parlament und Staatsoberhaupt. Eine Mini-Sowjetunion gewissermaßen. 20 Jahre lang tat sich jedoch praktisch nichts. Seit diesem Jahr drängt Moskau aber massiv auf die Integration, die man sich einst versprochen hat.

Die beiden Länder sind sich sehr nahe. 90 Prozent des öffentlichen und privaten Austausches in Weißrussland finden auf Russisch statt – das ist eine Prägung, die weit über die Sprache hinausreicht. So spricht sich zwar derzeit in Umfragen nur eine Minderheit für eine tatsächliche Vereinigung mit Russland aus. Eine Integration dagegen, die Bildung eines flexiblen Staatenbundes mit dem großen Bruder, sieht eine Mehrheit positiv.

In diesem Stimmungsbild spiegeln sich nicht nur historische Bindungen. Auch aktuelle Propaganda aus Moskau, die traditionellen Medien und noch mehr das Internet haben einen beträchtlichen Anteil. Dmitri Mizkjewitsch analysiert die russische Einflussnahme in seinem „Belarus Security Blog“. Die erste Botschaft aus dem Osten, so schreibt er, sei die „vom erfolgreichen Russland“. „Sie demonstrieren uns die Erfolge dieses Landes in den verschiedensten Bereichen, beginnend bei den wirtschaftlichen bis zu den sportlichen.“ Dagegen werde These zwei gesetzt: „Weißrussland steht am Rande des Zusammenbruchs und muss gerettet werden.“ Damit auch wirklich klar sei, wer dieser Retter ist, kommt eine dritte Botschaft, schreibt Mizkjewitsch: „Europa wartet nicht auf euch.“

Putin plant für die Zukunft

Dass die Moskauer Führung gerade jetzt darauf drängt, dem Unionsvertrag endlich Leben einzuhauchen, hängt nicht mit dessen 20. Jahrestag zusammen. Den werden beide Präsidenten feierlich am 8.Dezember mit Treueschwüren und der Unterzeichnung eines Fahrplans für die Integration begehen. Das Drängen Moskaus hängt vor allem mit dem „Projekt 2024“ des Kreml zusammen. Unter diesem Titel erörtern die oppositionelle Zeitung „Belarus Partisan“ aus Minsk und russische Medien schon seit geraumer Zeit die Frage, was Putin tun wird, wenn im Jahr 2024 seine verfassungsmäßig letzte Amtszeit zu Ende geht. Besser gesagt, sie mutmaßen darüber, wie er „es tun“ wird. Dass der russische Präsident tatsächlich von der Macht lässt, glauben derzeit wenige.

Putin wäre dann fast 72 Jahre alt. Ein fingierter Wechsel mit seinem Regierungschef Dmitri Medwedew für sechs Jahre käme dann wohl nicht mehr infrage. Eine Verfassungsänderung zur Installierung eines Präsidenten auf Lebenszeit scheint derzeit riskant. Bei den Regional- und Kommunalwahlen im Herbst zeigte sich, dass der Unmut über die Manipulationen des Kremls wächst. Deshalb werde an einer eleganten Lösung gearbeitet, spekulieren die kremlfernen russischen Medien. Eine Variante ist die Verwandlung der russisch-weißrussischen Union in einen Bundesstaat, zur Mini- Sowjetunion.

Lukaschenko wehrt sich dagegen, weiß er doch, die Pläne bedeuten das Ende seiner Macht. Als Schutz vor der zunehmend expansiven Rhetorik aus Moskau versucht seine Regierung zunehmend, die nationale und kulturelle Identität Weißrusslands in den Vordergrund zu rücken. Doch mehr als Symbolpolitik ist das nicht, die wirtschaftliche Abhängigkeit von Moskau ist zu stark. So hat Lukaschenko vor einigen Monaten zwar den lange geplanten Ausbau der russischen Truppenpräsenz in seinem Land untersagt. Aber von tatsächlicher strategischer Bedeutung ist es nicht, ob die russischen Raketen in Smolensk oder wenige Kilometer weiter westlich stehen.

Demonstrativ streckt der weißrussische Präsident seine Fühler auch nach Westen aus. Gerade erst ist er von einem Besuch aus Österreich zurückgekehrt, dem wichtigsten Partner seines Landes im Westen. Er hat von diesem Besuch in Wien nicht viel mehr mitgebracht als eine Botschaft: Für die EU ist es tatsächlich keine attraktive Idee, dem Autokraten Lukaschenko beizustehen. Gleichzeitig braucht er dringend Geld oder zumindest einen Rabatt für den Bezug von Öl und Gas aus Moskau. Wirklich Raum, zu manövrieren, hat Lukaschenko, der sich im nächsten Jahr wieder zum Präsidenten machen will, nicht.

Dass eine Mini-Sowjetunion für Putins „Projekt 2024“ tatsächlich infrage kommt, ist jedoch noch nicht entschieden. Dafür muss es aus Moskauer Sicht gelingen, die Position des gemeinsamen Staatsoberhauptes mit tatsächlicher Macht aufzuladen. Dass das gelingt – davon scheint die russische Führung derzeit aber offenbar auszugehen.

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