Journalisten in Krisenregionen: In der Schusslinie
In Syrien, aber auch in der gesamten arabischen Region wird die Arbeit für Journalisten gefährlicher.
Syriens Bürgerkrieg wird auch für Journalisten immer gefährlicher. In Aleppo wurde der ARD-Korrespondent Jörg Armbruster durch Schüsse schwer verletzt. Er sollte am Montag von der Türkei nach Deutschland geflogen worden. Nach Angaben der ARD war er am Freitagvormittag mit seinem Auto in Aleppo in ein Feuergefecht geraten. Sein Zustand ist nach zwei Notoperationen zunächst in einem syrischen, anschließend in einem türkischen Krankenhaus stabil. Der mit Armbruster reisende ARD-Hörfunkkorrespondent Martin Durm blieb unverletzt.
Auch ein ZDF-Team unter der Leitung des Kairoer Korrespondenten Dietmar Ossenberg war nach Informationen des Tagesspiegels Anfang vergangener Woche bei Dreharbeiten in Damaskus in einen Granatenbeschuss geraten. Das bestätigte ein Sprecher des Mainzer Senders am Montag. Nach seinen Angaben wurde niemand körperlich verletzt, alle Mitarbeiter seien nach Ägypten zurückgekehrt.
Im syrischen Bürgerkrieg lassen inzwischen alle Kontrahenten auch die letzten Hemmungen fallen. In Aleppo eskalierten über Ostern die Straßenkämpfe im Norden der Stadt, wo überwiegend syrische Kurden wohnen. Tausende Bewohner verließen nach Angaben der „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ in Panik ihre Wohnviertel. Gleichzeitig entführten Aufständische den sunnitischen Imam Hassan Seifeddin. Sie enthaupteten den regierungstreuen Geistlichen und pflanzten seinen Kopf auf das Minarett der Al-Hassan-Moschee, in der Seifeddin jahrelang gepredigt hat. In Damaskus kam es ebenfalls zu heftigen Gefechten. Das Regime beschuldigte die Rebellen, mindestens neun Ölförderanlagen im Osten des Landes in Brand gesetzt zu haben, allein drei am Osterwochenende.
Nach Angaben der ARD hielt sich Armbruster seit Anfang der Karwoche zusammen mit seinem Hörfunkkollegen Durm im Gebiet der „Freien Syrischen Armee“ in Nordsyrien auf, um eine Reportage über die Rebellen zu drehen. Der verletzte ARD-Reporter, der mehr als zehn Jahre in der arabischen Welt gearbeitet hat, gilt als sehr erfahren, besonnen und vorsichtig. Seit Beginn dieses Jahres offiziell im Ruhestand, arbeitete der 65-Jährige an einer großen Dokumentation mit dem Titel „Zwischen Krieg und Frieden – Der neue Nahe Osten“. Dort wollten Armbruster und der Israel-Korrespondent der ARD, Richard C. Schneider, ihre persönliche Sicht des Arabischen Frühlings schildern. Die Sendung war für Juni 2013 geplant.
Nicht nur in Syrien, in der gesamten arabischen Region ist die Arbeit für Auslandskorrespondenten seit den Umwälzungen des Arabischen Frühlings gefährlicher geworden. Die militärische Lage in Syrien ist inzwischen völlig unübersichtlich. Seit Beginn des Bürgerkriegs sind nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ mehr als 20 Journalisten ums Leben gekommen. Im Februar 2012 starben in Homs die amerikanische Reporterin Marie Colvin und der französische Fotograf Remi Ochlik. In Aleppo wurden bisher mindestens drei ausländische Korrespondenten getötet, unter ihnen die japanische Journalistin Mika Yamamoto. Mindestens fünf Journalisten werden vermisst, befinden sich entweder in den Händen des Regimes oder radikaler Dschihadistengruppen.
Auch die von Rebellen kontrollierten Gebiete in Nordsyrien sind für ausländische Berichterstatter nicht sicher, weil sie nach wie vor ungehindert von Assads Kampfjets bombardiert werden. Am Wochenende lobte ein reicher Sympathisant von Präsident Baschar al Assad ein Kopfgeld auf arabische Journalisten aus. Der in Kuwait lebende Geschäftsmann kündigte an, wer in Syrien einen Reporter der Sender Al Dschasira oder Al Arabiya festnehme, erhalte eine Belohnung von umgerechnet 100 000 Euro. Den Korrespondenten warf der Unternehmer „Hetze“ und damit eine Mitverantwortung an dem Blutvergießen vor.
Gewachsen ist das Entführungsrisiko für westliche Journalisten auch im Irak und im Jemen, wo Kommandos von Al Qaida aktiv sind. Der Irak wird praktisch jede Woche von Serienbomben erschüttert, die teilweise an 20 bis 50 Orten gleichzeitig hochgehen. In der gesamten nordafrikanischen Region sind zudem Unmengen an Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg unterwegs. Die drei Vorreiter des Arabischen Frühlings, Tunesien, Ägypten und Libyen, werden von inneren Unruhen, wachsender Kriminalität, Straßengewalt und Wirtschaftsproblemen geplagt.
Martin Gehlen
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