Flüchtlinge in Griechenland: In der Sackgasse
In Griechenland kampieren rund 3000 Flüchtlinge am Hafen von Piräus. Das Schlimmste, sagt Nikitas Kanakis von der Hilfsorganisation „Ärzte der Welt“, ist, dass ihnen niemand sagt, wie es weitergehen soll.
Am Freitagmorgen waren mehr als 3000 Flüchtlinge, die am Hafen von Piräus bei Athen kampierten – viele von ihnen in Zelten. Sie stecken wie Zehntausende andere Flüchtlinge auch in Hellas fest, seit die Grenze bei Idomeni im Norden des Landes dicht ist. „Das größte Problem besteht darin, dass sie einfach nicht wissen, wie es weitergeht“, sagt Nikitas Kanakis, Griechenland-Chef von „Ärzte der Welt“. „Niemand hat ihnen erklärt, was als nächstes geschieht.“ Kanakis rechnet damit, dass die Zahl der in Piräus ausharrenden Flüchtlinge wegen des Zustroms von den Inseln in der Ostägäis weiter anwachsen wird. „In Piräus kümmern sich nur Freiwillige und Menschenrechtsorganisationen um die Flüchtlinge, vom Staat ist nichts zu sehen“, sagt er.
Derzeit gibt es Plätze für maximal 15.000 Migranten
Griechenland befindet sich in einer Notlage, seit die Balkanroute geschlossen ist. Zwar hat das Land bereits im vergangenen Oktober die Einrichtung von 50.000 Plätzen zur Unterbringung der Flüchtlinge zugesagt, aber offenbar rechnete seinerzeit niemand in der Regierung von Alexis Tsipras damit, dass das Durchwinken der Flüchtlinge Richtung Mitteleuropa eines Tages beendet sein könnte. Griechenland sei derzeit in der Lage, 13.000 bis 15.000 Flüchtlinge zu beherbergen, sagt Christos Katsioulis, der das Athener Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. Um die chaotischen Zustände in Piräus, in Idomeni an der Grenze zu Mazedonien und auf den Inseln zu beenden, werden in Griechenland nun neue Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge hergerichtet – unter anderem in Kasernen.
Dies ist auch dringend nötig, wenn sich die Prognosen griechischer Politiker demnächst bewahrheiten sollten. Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos rechnet damit, dass die Zahl der in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge bis Ende März auf mehr als 100 000 anwachsen wird. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias erwartet sogar bis zu 150.000 Migranten.
UNHCR-Sprecherin Fleming: Lage in Hellas ist "miserabel und chaotisch"
Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, sagte dem Tagesspiegel, die Lage der Flüchtlinge in Griechenland sei „miserabel und chaotisch“. Dies liege nicht nur daran, dass das Lager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze im Schlamm versinkt, sondern auch an der unter den Flüchtlingen verbreiteten Frustration und Verzweiflung. „Das UNHCR wird Griechenland dabei helfen, die Bedingungen zu verbessern, und sich für die Umverteilung von Syrern und Irakern einsetzen, die dafür in Frage kommen“, sagte sie weiter. „Griechenland ist nicht in der Lage, dies alleine zu bewältigen oder alle Flüchtlinge aufzunehmen“, so Fleming. Zudem sei zu hoffen, dass auch in Hellas gestrandeten Afghanen, die zum Großteil Asyl beantragen würden, in die Umverteilung der Flüchtlinge einbezogen würden, sagte die UNHCR-Sprecherin. Nach den Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks stammen 26 Prozent der rund 140.000 seit Jahresbeginn in Griechenland angekommenen Flüchtlinge und Migranten aus Afghanistan. Aus Syrien stammten den Angaben zufolge 48 Prozent, aus dem Irak 17 Prozent.
Unterdessen forderte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, dass die Flüchtlinge aus Idomeni in menschenwürdige Unterkünfte in Griechenland gebracht werden. „Es ist nicht zu viel verlangt, dass sie dorthin gehen, wo Griechenland ihren Platz vorgesehen hat“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend im ZDF. De Maizière erklärte, er haben seinem griechischen Amtskollegen deutsche Hilfe in der Flüchtlingskrise angeboten. Allerdings müsse man auch sehen, dass Griechenland „nicht annähernd so viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie Deutschland und Österreich im letzten Jahr“. Angesichts einer Bevölkerungszahl von rund elf Millionen Einwohnern sei es „durchaus zumutbar“, wenn sich gegenwärtig 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge in Griechenland aufhielten, sagte de Maizière. Der Innenminister wies darauf hin, dass in Österreich, das knapp neun Millionen Einwohner hat, im vergangenen Jahr 90.000 bis 100.000 Flüchtlinge aufgenommen worden seien.