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Pressekonferenz nach einem Corona-Gipfel von Bundeskanzlerin und Länderchefs.
© Michael Kappeler via REUTERS

Pandemie, Flüchtlingskrise, Rettungsschirm: In der Krise ist schnelles Handeln gefragt

Das föderale System funktioniert in der Pandemie - und die Rechte des Parlaments werden nicht beschnitten. Eine Erwiderung.

Volker Ratzmann war bis Januar 2020 Staatsekretär und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund. Im Mai 2020 wechselte er in die Privatwirtschaft. Dies ist eine Erwiderung auf den Essay des Politologen Stephan Bröchler im Tagesspiegel vom 10.1.2021

Selbst überwältigt von der Wucht der Pandemie und ihren schrecklichen Auswirkungen haben Bundesregierung und Länder in der ersten Welle schnell und abgestimmt gehandelt. Mit bisher nie dagewesenen und auch akzeptierten Eingriffen in elementare Grundrechte wie Schließungen von Schulen und Geschäften, Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gepaart mit schnellen und unbürokratischen Hilfen für betroffene Branchen in Milliardenhöhe, haben Regierungen, Parlamente und Kommunen versucht, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Das hat der Bundesrepublik international viel Anerkennung eingebracht. Viele haben sich die Augen gerieben  wie abgestimmt und schnell wir in unserem föderalen System handeln können. Über die Richtigkeit der Maßnahmen, ihre Verhältnismäßigkeit und Effizienz kann man trefflich streiten, nicht aber über ihre demokratische Legitimation.

Wer wie Stephan Bröchler (im Tagesspiegel 10.1.2021) die enge Abstimmung zwischen Kanzlerin und MinisterpräsidentInnen als  Corona-Demokratie und Turboregieren diskreditiert, gravierende Eingriffe in die „Demokratie“ sieht, gar eine „Mutation im Regierungssystem“ feststellt, die Bundestag und Landtage zu bloßen „Stempelkissen“ herabwürdigt, zeichnet ein schräges und gefährliches Bild vom Funktionieren unseres föderalen Systems.

Er blendet die langjährig gelebte und gängige Praxis von Gesetzgebung aus.

Auch bei Fiskalpakt und Euro-Rettungsschirm wurde so vorgegangen

Richtig ist, dass Krisen die Stunde der Exekutive sind. Gefragt ist zielgerichtetes schnelles Handeln. Das ist auch nichts Ungewöhnliches, wurde angesichts anderer Herausforderungen wie 2012 bei notwendigen Zustimmung zu Fiskalpakt und Euro-Rettungsschirm erfolgreich praktiziert.

Entscheidend für schnelle und zielgerichtete gesetzliche Grundlagen war immer der Austausch zwischen den am Gesetzgebungsprozess beteiligten Akteuren. Als ab 2015 Millionen von Menschen in der Bundesrepublik Zuflucht suchten, waren es genau die Abstimmungsrunden der RegierungschefInnen aus Bund und Ländern, die schnelle Unterbringung ermöglichten und völlig unzureichende administrative Verfahren wie etwa zur Registrierung angesichts des riesigen Zustroms von Menschen schnell anpassten. Dieses abgestimmte Handeln hat erst ermöglicht den Ansturm einigermaßen zu bewältigen.

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Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. So steht es im Grundgesetz. Und dieses System hat sich bewährt. Im Gegensatz zu allen europäischen Zentralstaaten hat es uns ermöglicht, große Herausforderungen wie die Aufnahmen von Hundertausenden von Flüchtlingen und Wiedervereinigung trotz regional großer wirtschaftlicher, kultureller und struktureller Unterschiede zu meistern, ohne die Verwerfungen, die wir in Frankreich, Groß Britannien, Spanien und Italien sehen.

Die Gesetzgebungskompetenz und damit die Möglichkeit Eingriffe in Grundrechte und wesentliches staatliches Handeln zu legitimieren, ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Wesentlich ist jedoch, dass mit wenigen Ausnahmen, der Vollzug der Gesetze und zum großenteil auch die Finanzierung des Vollzugs, Sache der Länder und der Kommunen ist.

Die Umsetzung liegt bei den Ländern - da müssen sie auch mitsprechen dürfen

Die Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzgesetz liegt beim Bund, der Vollzug und die Umsetzung der gesetzlichen Maßnahmen aber bei den Ländern. Da ist es doch mehr als sinnvoll, dass in so wesentlichen Angelegenheiten wie dieser, enge Abstimmungen gibt, bevor Gesetze geändert werden.

Dass die Initiativen für die Gesetze aus der Exekutive kommen, ist ebenfalls gängige Praxis. In unserem System können nur Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat Gesetzesänderungen imitieren. In der laufenden Legislaturperiode kamen 369 aus der Bundesregierung, 66 aus dem Bundestag und 62 vom Bundesrat.  

Und auch die in den Abstimmungsrunden konsentierten Maßnahmen durchlaufen den normalen Gesetzgebungsprozess. Bundestag und Landtagen und auch dem Bundesrat bleibt es unbenommen, im parlamentarischen Verfahren zu hinterfragen, zu debattieren und ExpertInnen zu hören. Und das tun sie auch – mit aller gebotenen Verantwortung für schnelles Handeln. Bevor wir hier vorschnell tiefgreifende strukturelle Anpassungen fordern, sollten wir uns bewusst werden, was wir an gut funktionierenden und im Übrigen transparenten Abläufen haben. Zentralisierung ist jedenfalls nicht die Lösung.

Volker Ratzmann

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