Comeback alter Schill-Kader: In der Hamburger AfD tobt ein Machtkampf
Mitglieder der Partei des ehemaligen Innensenators Ronald Schill unterwandern in Hamburg die AfD. Schon treten Vorstandmitglieder zurück. Der Machtkampf tobt.
Für die AfD ist Hamburg ein besonderes Pflaster, kommen Parteichef Bernd Lucke und Stratege Hans-Olaf Henkel doch beide aus der Hansestadt. Doch das Problem der AfD bleibt auch im Norden das gleiche wie anderswo, obgleich mit einer spezifisch hamburgischen Note: die Unterwanderung von rechts, in diesem Fall durch ehemalige Mitglieder der rechtspopulistischen Schill-Partei.
Die AfD macht sich Hoffnungen, am 15. Februar in Hamburg in die Bürgerschaft einzuziehen, es wäre das erste Mandat außerhalb der neuen Bundesländer. Doch der Hamburger Landesverband befindet sich nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in einer innerparteilichen Zerreißprobe. Nur wenige Tage nach der Aufstellung ihrer Landesliste haben vier von neun AfD-Vorstandsmitgliedern ihren Rücktritt erklärt. Sie warnen vor zu großem Einfluss durch ehemalige Mitglieder der Schill-Partei – benannt nach ihrem Gründer Ronald Schill – die von 2001 bis 2004 neben der FDP Regierungspartner der CDU war, mit der sich Bürgermeister Ole von Beust dann aber Ende 2003 überworfen und so den Weg für Neuwahlen freigemacht hatte.
Der Werdegang der AfD in Hamburg scheint nun auch unmittelbar mit dem Comeback von Dirk Nockemann verbunden zu sein, winkt diesem doch mit Listenplatz 3 bei Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde wohl ein sicherer Sitz in der Bürgerschaft. Der Verwaltungsbeamte und frühere Innensenator im Beust-Senat sieht kein Problem darin, die Inhalte der früheren Schill-Partei auch in die AfD hineinzutragen. Auf einer Wahlveranstaltung im Stadtteil Farmsen sagte der 56-Jährige, die Schill-Partei sei nur an den Eskapaden ihres Namensgebers gescheitert, nicht an den Inhalten. Als Beispiel führte er an, dass in der damaligen Schill-Regierungs-Ära 300 neue Polizeistellen geschaffen wurden. Die aktuellen Auseinandersetzungen in der Elbmetropole zwischen Kurden und Salafisten sind für Nockemann wie eine Steilvorlage für den Griff in die Schill-Kiste, fordert er doch mit der AfD 500 neue Planstellen für die Polizei.
Das Thema Innere Sicherheit ist ein Déjà-vu für Hamburg
Das Thema Innere Sicherheit ist nicht nur ein zentrales Anliegen der AfD, sondern für Hamburg auch ein Déjà-vu des Schill-Wahlkampfs, als der Politnovize 2001 mit harter „Recht und Ordnung“- Rhetorik 19,4 Prozent der Stimmen holte. Die Nockemann-Botschaft lautet also: Aus der Schill-Blaupause lernen heißt siegen lernen. In Farmsen sitzen offenkundig auch sogenannte Reichsideologen unter Nockemanns Zuhörern, die den Fortbestand des Deutschen Reiches propagieren. Mehrmals weisen sie darauf hin, dass Deutschland ein Besatzer-Staat ohne eigene Souveränität sei. Diese Aussage weist Nockemann mit Hinweis auf das Völker- und Staatsrecht zurück, fügt aber süffisant hinzu, dass jeder selbst die Frage beantworten müsse, ob er dies für faktisch stimmig halte.
Der Landesvorsitzende Jörn Kruse, Spitzenkandidat seiner Partei, muss sich nun aus den eigenen Reihen von den abgesprungenen Vorstandsmitgliedern den Vorwurf gefallen lassen, auf dem Wahlparteitag zur Landesliste ehemalige Schill-Partei-Mitglieder gefördert zu haben. Sogar von „Manipulation“ ist intern die Rede. Kruse weist diese Vorwürfe zurück und spricht von enttäuschten Parteikollegen, die bei Abstimmungen für vordere Listenplätze unterlegen waren. Nicht nur der ehemalige Parteisprecher Oliver Scholl greift Kruse massiv an, dieser habe bei Listenplatzabstimmungen ehrabschneidende Äußerungen über einzelne Kandidaten getätigt. Einzelne Mitglieder überlegen nun, die Parteitagswahlergebnisse anzufechten. Der nächste Parteitag ist unterdessen bereits terminiert. Am 8./9. November will Hamburgs AfD ihr Wahlprogramm beschließen.