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Vielleicht wollte er nur die Wahl gewinnen, will aber gar nicht Präsident sein...
© Evan Vucci/AP/dpa

US-Präsident Donald Trump: In der Gemeinschaft der Trumpologen

Was will Donald Trump? Das weiß keiner genau. Aus vagen Indizien werden Thesen gestrickt. Das erinnert an die Kremlologie zu Sowjet-Zeiten. Eine Glosse.

Eine Glosse von Malte Lehming

Als die Sowjetunion noch existierte, blühte im Westen die Kremlologie, manchmal auch Kreml-Astrologie genannt. Denn die Sitzungen des Zentralkomitees der KPdSU im Moskauer Kreml waren streng geheim. Nichts drang nach draußen. Wie die Diskussionen verliefen, ob es Machtkämpfe innerhalb der kommunistischen Führung gab, und in welche ideologische Richtung die Politik ging, wusste außer den Beteiligten niemand. Also behalf man sich mit wilden  Spekulationen. Was etwa ließ sich ablesen aus der Reihenfolge, in der die Politbüromitglieder am 1. Mai auf der Tribüne des Lenin-Mausoleums dem Volk zuwinkten? Bei dem beliebten Rätselraten machten westliche Geheimdienstler ebenso mit wie Politiker, Wissenschaftler und Journalisten. Meistens lagen sie mit ihren Prognosen daneben.

Seit Donald Trump im Weißen Haus residiert, blüht die Trumpologie. Bloß dass diesmal alles transparent ist. Die Dekrete, die Twitterei, das Strippengeziehe, die Pressekonferenzen, abgehörte Telefonate: Kaum etwas bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Fast täglich äußert sich der Präsident. Doch diesmal ist es just jene überwältigende Menge an Verlautbarungen, die das Gefühl eines politischen Mysteriums erzeugen, das es zu dekodieren gilt. Ist Trump für oder gegen Putin, für oder gegen die Nato, für oder gegen die Zweistaatenlösung in Nahost, für oder gegen einen ausgeglichenen Haushalt, für oder gegen die Europäische Union, für oder gegen den Handel mit China? Weil keiner aus ihm schlau wird, behaupten große Teile des Kommentariats, ganz allein aus ihm schlau geworden zu sein.

So ist das nun mal in der Mediengesellschaft mit ihren Leitartikeln, Analysen, Talkshows und Konferenzen. Wer will sich schon die Blöße geben, ratlos zu sein, vor dem Phänomen Trump zu stehen wie der sprichwörtliche Ochse vorm Berg? Auch der Autor dieser Zeilen bekennt sich schuldig, aus vagen Indizien und einzelnen Zitaten gelegentlich eine These abgeleitet zu haben. Hah, die „checks and balances“ werden ihn mäßigen! Oder so ähnlich. Aber vielleicht wollte Trump nur die Wahl gewinnen und will gar nicht Präsident sein. Vielleicht tritt er in drei Wochen zurück. Wirklich wissen kann das keiner.

Und damit zurück in die Gemeinschaft der Trumpologen.

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