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Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) hat ein historisch schlechtes Wahlergebnis eingefahren.
© Christophe Gateau/dpa
Update

SPD-Debakel bei Landtagswahl: In Bremen geht eine Ära zu Ende

Nach einem historisch schlechten Ergebnis liegt die SPD in Bremen erstmals hinter der CDU. Jetzt liegt es an den Grünen, ob die SPD dennoch weiterregiert.

Die SPD hat in der Bremer Landtagswahl eine historische Schlappe einstecken müssen. Aktuellen Hochrechnungen des Landeswahlleiters zufolge kommen die Sozialdemokraten um Bürgermeister Carsten Sieling (60) auf 24,8 Prozent der Stimmen. Für die SPD ist dies das schlechteste Wahlergebnis im einzigen Bundesland, in dem sie seit mehr als 70 Jahren ungebrochen regiert. „Diese Zahlen sind durchaus enttäuschend", sagte Sieling nach Bekanntwerden der ersten Prognosen direkt nach Wahlschluss. Aber: "Wir gucken in die Zukunft und wollen gestalten."

Sielings Herausforderer Carsten Meyer-Heder (58) kommt demnach auf 26,1 Prozent und führt die CDU erstmals als stärkste Kraft in die Bürgerschaft, Bremens Landesparlament. "Wir wollen den Bürgermeister stellen", sagte Meyer-Heder am Sonntag in der ARD als Reaktion auf die Prognosen. Die CDU habe von den Wählern den Regierungsauftrag erhalten. Seine Partei werde "mit jedem reden und sondieren".

Die Grünen bleiben drittstärkste Kraft und können ihr Ergebnis von 15,1 Prozent auf 17,9 Prozent verbessern. Die Linke verbessert sich von 9,5 auf auf elf Prozent und ist erstmals im zweistelligen Bereich. Die FDP muss leichte Verluste hinnehmen, scheint den Wiedereinzug mit 6,2 Prozent jedoch zu schaffen. Die AfD verbessert sich leicht auf 6,6 Prozent.

Besonderheit im Wahlsystem

Um den Wiedereinzug hätte die AfD auch bei einem niedrigeren Ergebnis im Bundesland nicht bangen müssen: Um ins Landesparlament zu kommen reicht es, wenn eine Partei entweder in Bremen oder in Bremerhaven die Fünfprozenthürde knackt, auch wenn das landesweite Ergebnis weniger als fünf Prozent beträgt. In Bremerhaven liegt die AfD nach ARD-Prognose bei 9,2 Prozent. Die etwas weniger rechtsstehenden "Bürger in Wut" sinken landesweit leicht auf 2,5 Prozent, schaffen den Wiedereinzug durch ein voraussichtliches Abschneiden von 8,9 Prozent in Bremerhaven vermutlich ebenfalls. Anders als im gesamten Bundesland ist die SPD in Bremerhaven mit 25,6 Prozent stärkste Kraft vor der CDU mit 22,2 Prozent. Darauf folgen die Grünen mit 16,5 Prozent, die Linke mit 8,5 Prozent sowie die FDP mit 5,6 Prozent.

Für die bundesweit unter Druck stehende SPD ist die Bremer Wahl besonders bitter: Seit der ersten Bürgerschaftswahl 1946 hatte die bisher SPD jeden Urnengang für sich entscheiden können und mehrfach die absolute Mehrheit gestellt. 2015 hatte die SPD noch 32,8 Prozent erhalten, die CDU 22,4 Prozent. Sielings Vorgänger Jens Böhrnsen war daraufhin zurückgetreten. Sieling hat in einer ersten Reaktion persönliche Konsequenzen auf das schlechte Abschneiden seiner Partei ausgeschlossen.

Welche Koalition die kommenden vier Jahre das kleinste Bundesland regiert, müssen die Koalitionsverhandlungen zeigen. Meyer-Heder hatte sich im Wahlkampf immer wieder für eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP ausgesprochen, die den vorläufigen Zahlen nach auf eine knappe Mehrheit kommt.

Sieling tendierte zu einer rot-rot-grünen Koalition mit der Linken. Diese Konstellation erreicht nach aktuellen Zahlen ebenfalls eine Mehrheit. Die Spitzenkandidatin der Linken, Kristina Vogt, sprach sich am Sonntag ebenfalls dafür aus. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Maike Schaefer, wollte sich nach Wahlschluss nicht auf eine Koalition festlegen und betonte, für jede Dreier-Konstellation offen zu sein.

AfD-Spitzenkandidat Frank Magnitz hatte im Vorfeld betont, ein Ergebnis "zehn Prozent plus x" anzuvisieren. Auf die veröffentlichten Prognosen reagierte er enttäuscht: "Ich hätte mehr erwartet", sagte er. Lencke Steiner, die für die FDP angetreten ist, sprach sich dem "Weser-Kurier" gegenüber für eine Jamaika-Koalition aus. 2015 sind die Liberalen wieder in die Bürgerschaft eingezogen, nachdem sie 2011 an der Fünfprozenthürde gescheitert waren.

Die Wahlbeteiligung soll deutlich höher ausgefallen sein als bei vorherigen Wahlen und liegt nach ZDF-Prognosen bei 62 Prozent. Bei der vergangenen Wahl 2015 hatte die Beteiligung nur knapp 50 Prozent betragen. Bremen ist das einzige Bundesland mit einer vierjährigen Legislaturperiode. Alle anderen Landesparlamente werden alle fünf Jahre neu gewählt. Am Tag der Bundestagswahl 2017 hatten sich die Bremer in einem parallel stattfindenden Volksentscheid dafür ausgesprochen, die Wahlperiode nicht zu verlängern.

Wegen des vergleichsweise komplizierten Wahlsystems in Bremen dauert es einige Zeit, bis verlässliche Zahlen vorliegen. Ein vorläufiges amtliches Endergebnis wird erst am Mittwoch veröffentlicht.

Sebastian Krüger

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