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Deutsche Zustände: Immer mehr Deutsche billigen Gewalt

Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer hat die Einstellungen der Deutschen zehn Jahre lang beobachtet. Die Studie beleuchtet unter anderem das Verhältnis der Deutschen zu Gewalt.

In Deutschland nimmt die Billigung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zu. Jeder Zehnte pflichtet dem Satz bei, „durch Anwendung von Gewalt können klare Verhältnisse geschaffen werden“, jeder Fünfte findet, „wenn sich andere bei uns breitmachen, muss man ihnen unter Umständen unter Anwendung von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist“. Das ist eines der Ergebnisse der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“, deren zehnte und abschließende Folge der Bielefelder Konflikt- und Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer am Montag in Berlin vorstellte.

Unter Rechtspopulisten ist die Billigung von Gewalt besonders hoch. Dem Satz, „manchmal muss ich Gewalt einsetzen, um nicht den Kürzeren zu ziehen“, stimmt jeder Dritte mit einer rechten Einstellung zu. Dabei ist das rechtspopulistische Potenzial zurückgegangen. Der Studie zufolge ist jeder zehnte Bundesbürger (9,2 Prozent) zu den Rechtspopulisten zu zählen. 2003 waren es 13,6 Prozent. Zugleich sei aber zu beobachten, dass die Rechten vor allem 2011 protest- und gewaltbereiter geworden seien und von den großen Parteien nicht mehr integriert werden können.

Als rechtspopulistisch gelten dabei jene 9,2 Prozent, die fremdenfeindliche und antisemitische und autoritäre und islamfeindliche Einstellungen haben, mithin nur, wer allen folgenden Aussagen zustimmt. „Um Recht und Ordnung zu bewahren, sollte man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen“ (Zustimmung zu dieser Einzelaussage: 67,3 Prozent). „Verbrechen sollten härter bestraft werden“ (78,9 Prozent). „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“ (47,1 Prozent). „Die in Deutschland lebenden Ausländer sind eine Belastung für das soziale Netz“ (44,7 Prozent). „Viele Juden versuchen aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen und die Deutschen dafür zahlen zu lassen“ (36,9 Prozent). „Durch die vielen Muslime in Deutschland fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“ (30,2 Prozent).

Im zurückliegenden, von Heitmeyer so genannten „entsicherten Jahrzehnt“, prägten „Signalereignisse“ und „schleichende Prozesse“ die Einstellungen. Zu den Signalereignissen zählt Heitmeyer die Terrorattacken des 11. September 2011 mit Folgen für die Islamfeindlichkeit, die Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 mit Folgen für die Abwertung von Langzeitarbeitslosen, und die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrisen seit 2008, die Abstiegsängste förderten. Zu den Prozessen zählt er ungewisse Zukunftsperspektiven in der globalisierten Welt, die Reduzierung von Menschen auf ihre Funktion als Marktteilnehmer und die „Demokratieentleerung“ – das Gefühl, keinen Einfluss auf die Politik zu haben.

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