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Die Straße von Hormus.
© imago images / StockTrek Images

Eine düstere Form der Diplomatie: Im Persischen Golf geht es nicht um Krieg oder Frieden

Die iranischen Provokationen in der Straße von Hormus sind vor allem Akte der Kommunikation. Deutschland muss wohl oder übel mitreden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Geht es bei der geplanten Marinemission der USA und Großbritanniens am Golf um Krieg und Frieden? Stehen die USA und der Iran kurz davor, sich in einen großen gewaltsamen Konflikt zu werfen?

Den Eindruck konnte man bekommen, besonders wenn man in der vergangenen Woche Politikern der SPD zuhörte. Als Außenminister Heiko Maas begründete, warum Deutschland sich nicht an einer von den USA geführten Marinemission in der Straße von Hormus beteiligen wird, sagte er, man wolle „keine militärische Eskalation“: „Wir werden weiterhin auf Diplomatie setzen.“ Ohnehin könne es „keine militärische Lösung“ für den Konflikt um die wichtige Passage für den globalen Ölhandeln geben.

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, verstieg sich sogar zu einem Vergleich der derzeitigen Situation mit der Lage 2003, als George W. Bush die Verbündeten aufforderte, mit den USA in den Krieg im Irak zu ziehen. Deutschland verweigerte sich damals bekanntlich. „Ich fürchte, dass die Briten den gleichen Fehler machen wie im Irakkrieg“, sagte Schmid jetzt, „und plötzlich in einem schweren Konflikt an der Seite der Amerikaner stehen.“

Die Gegenüberstellung von Krieg auf der einen und Diplomatie auf der anderen Seite verzerren allerdings den Blick auf die Lage. Das Bild von amerikanischen Bodentruppen im Irak 2003 heraufzubeschwören, vermittelt einen falschen Eindruck des Charakters der derzeitigen Situation. In der lassen sich nämlich militärische Mittel und Diplomatie nicht so klar trennen, wie es Heiko Maas und andere suggerieren.

Trump inszeniert Pseudohandeln

Weder der Iran noch Donald Trump haben Interesse an einem offenen Krieg in der Region. Beide Seiten waren bisher peinlich darauf bedacht, lediglich begrenzte militärische Nadelstiche zu setzen, die die jeweils andere Seite zu nichts zwingen: unbemannte Drohnen wurden abgeschossen, Tanker mit Haftminen in Brand gesetzt, ohne sie zu versenken.

Ein Schnellboot der iranischen Revolutionsgarden steuert auf den unter britischer Flagge fahrenden Öltanker "Stena Impero" zu (Archiv)
Ein Schnellboot der iranischen Revolutionsgarden steuert auf den unter britischer Flagge fahrenden Öltanker "Stena Impero" zu (Archiv)
© dpa/Morteza Akhoondi/Tasnim News Agency/AP

Donald Trump, ein Meister dieser Art, Pseudohandeln effektvoll zu inszenieren, versammelte Ende Juni nach dem Abschuss einer amerikanischen Drohne Militärberater und Mitarbeiter im Weißen Haus, ließ Kampfflugzeuge aufsteigen – und blies die Aktion in letzter Minute wieder ab. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump in einem Konflikt punktuell militärische Mittel einsetzt, ohne, dass eine längerfristig angelegte, zielgerichtete Militäroperation folgt. Im April 2017 ließ er als Antwort auf einen Giftgasanschlag des syrischen Regimes auf Zivilisten eine Militärbasis in Syrien bombardieren.

Kein echtes Interesse an einem Krieg

59 Tomahawk-Raketen stiegen von einem US-Militärschiff im Mittelmeer auf, die Bilder gingen um die Welt. Bewirkt hat das wenig – strategisch folgte nichts. Ebenfalls 2017 ließ der amerikanische Präsident die „mother of all bombs“ auf afghanischem Gebiet abwerfen, um Stellungen des IS zu zerstören. An der Afghanistan-Strategie insgesamt änderte sich dadurch nichts. 2018 kündigte Trump an, tausende Soldaten aus dem Land abzuziehen.

Auch der Iran hat in Wahrheit wenig Interesse an einem echten Krieg. Noch scheint die Führung das Atomabkommen nicht vollständig aufgegeben zu haben. Die Urananreicherung wurde zwar wieder über das erlaubte Maß hochgefahren – allerdings geringfügig. Auch die Straße von Hormus zu schließen, kann nicht im Interesse des Landes sein (Experten sind ohnehin uneins, ob und wie lange das militärisch überhaupt möglich wäre). Das erneut von US-Sanktionen hart getroffene Land ist mehr denn je darauf angewiesen, Öl durch die Meerenge zu transportieren.

Was in der Straße von Hormus zu beobachten ist, sind also weniger die Vorbereitungen zu einem offenen Krieg, als vielmehr Akte der Kommunikation. Die Drohnen, Schiffe, Kampfflugzeuge und Haftminen sind Gesten, eine düstere Form der Diplomatie, um die eigene Haltung zu unterstreichen und die Drohkulisse realer wirken zu lassen.

Deutschland muss wohl oder übel mitspielen

Es ist, als würde man sich über den Verhandlungstisch anbrüllen. Es ist ein Krieg um Fernsehbilder – und die Köpfe der Gegner. Der eigentliche Krieg hingegen, den es in der Region ja durchaus gibt, findet im Geheimen statt. Die Gewalt überlassen die Iraner ihren Proxys, den Terrorgruppen im Jemen, in Syrien, in den Palästinensergebieten.

Die Deutschen möchten bei dieser Brüll-Diplomatie nicht mitmachen. Das ist zunächst einmal verständlich. Die Lust, mit der die Deutschen jetzt wieder allenthalben als Nixchecker-Softies der Weltpolitik verächtlich gemacht werden, ist befremdlich – scheint sie doch die Mittel der Muskelmänner gut zu heißen. Dennoch wird Deutschland auf die Dauer nicht darum herumkommen, sich diese Art der internationalen Kommunikation ein Stück weit anzueignen.

Deutschland allein wird die Regeln nicht verändern. Es muss wohl oder übel mitspielen. Diplomatie heißt ja gerade, die Art der Kommunikation der anderen zu verstehen und sich – solange es irgendwie vertretbar ist – die Sprache, Gestik, Ausdrucksform und Haltung der anderen anzueignen, um sich verständlich zu machen.

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