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Manuela Schwesig, SPD, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
© Thilo Rückeis TSP

Familienministerin Manuela Schwesig zum Muttertag: „Ich wurde als Rabenmutter und Egoistin beschimpft“

Familienministerin Manuela Schwesig über die Geburt von Tochter Julia, die Elternzeit ihres Mannes und Reaktionen auf ihre Rückkehr ins Amt.

Frau Schwesig, wie feiern Sie den Muttertag?

Ich mache es mir mit meiner Familie gemütlich. Wenn die Sonne scheint, verbringen wir den Tag im Freien und genießen den Frühling. Für mich ist es das größte Geschenk, dass wir Zeit füreinander haben.

Sie sind in der DDR groß geworden. War da Muttertag damals ein wichtiges Datum im Kalender – oder war der 8. März wichtiger, der Frauentag?

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir den Muttertag gefeiert haben. Der Frauentag am 8. März stand eher im Vordergrund, auch in der Öffentlichkeit.

Sehen Sie heute noch Unterschiede zwischen Ost und West im Umgang mit dem Muttertag und dem Frauentag?

Ich bin ja nicht nur Familien-, sondern auch Frauenministerin und halte vom Frauentag sehr viel. Als Ostdeutsche ist es für mich selbstverständlich, den Frauentag zu feiern. Ich höre aber von Frauen aus Westdeutschland, dass diese Tradition für sie eher neu ist.

Warum ist der Frauentag so wichtig?

Er erinnert uns daran, dass die Rechte von Frauen nichts Selbstverständliches sind. Sie mussten und müssen erkämpft werden. Es ist schon viel erreicht worden, aber wir haben auch noch viel vor uns. Ich finde es aber auch wichtig, die Leistung der Mütter zu würdigen. Deshalb freue ich mich, dass wir in Deutschland zwei wichtige Tage im Kalender haben.

Am 8. März ist Ihre Tochter Julia zur Welt gekommen, herzlichen Glückwunsch! Vor wenigen Tagen sind Sie in Ihr Ministerium zurückgekehrt. Wie managen Sie den Alltag mit zwei Kindern und einem Mann, die in Schwerin leben?

Seit dem Ende des Mutterschutzes ist mein Mann in Elternzeit und kümmert sich um unsere Kinder, wenn ich in Berlin bin. Wie vor der Geburt meiner Tochter versuche ich auch weiterhin, mir den Mittwochnachmittag und -abend freizuhalten und nach Schwerin zu fahren. Ab und an gelingt es mir, einen Tag Homeoffice einzulegen. Auch der Sonntag soll nach Möglichkeit meiner Familie gehören. Das ist ein Spagat, wie ihn viele berufstätige Familien kennen. Ich weiß als Mutter und als Familienministerin, welche Herausforderung es bedeutet, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Wie kommt Ihr neunjähriger Sohn damit klar, dass seine Mutter in der Hauptstadt arbeitet?

Julian kennt das seit zweieinhalb Jahren und kann damit umgehen, dass ich viel arbeite. Die Zeit, die ich in Schwerin verbringe, gehört alleine meiner Familie. Ich bin dann im Notfall auch für die Politik erreichbar. Aber Mobiltelefon und Laptop lege ich beiseite und konzentriere mich auf meine Kinder. Julian weiß, dass ich dann ganz für ihn da bin – und jetzt natürlich auch für seine kleine Schwester.

Versteht Ihr Sohn, was Sie machen?

Wir reden viel über meine Arbeit und auch über Politik. Er sieht regelmäßig „Logo“, die Nachrichtensendung für Kinder. In den vergangenen Monaten hat ihn das Flüchtlingsthema sehr bewegt. Er findet es gut und wichtig, dass wir uns für diese Kinder engagieren und dass seine Mutter sich für benachteiligte Kinder und Jugendlichen einsetzt.

Ihr neunjähriger Sohn interessiert sich für Flüchtlinge?

Sie werden staunen: Kinder sind viel entschiedener und klarer als viele Erwachsene, wenn die Frage aufkommt, ob Flüchtlingskinder Hilfe verdienen. Das ist bei unserem Sohn nicht anders als bei anderen Kindern, wie ich bei Terminen in Schulen oder Kitas erlebe. Kinder und Jugendliche haben auch eigene Spendenprojekte ins Leben gerufen. Auch unser Sohn macht sich Gedanken über die Not anderer Kinder und möchte helfen.

Findet Julian auch die SPD gut?

Ja. Ich bin so aufgewachsen, dass wir uns um die gekümmert haben, denen es nicht so gut ging, und mein Mann ist mit der gleichen Erfahrung aufgewachsen. Es prägt einen, wenn man das bei seinen Eltern erlebt. Auch Julian spürt in unserer Familie, dass wir den Wert Solidarität hochhalten.

Wie halten Sie den Kontakt während der Woche?

Wir telefonieren jeden Morgen und jeden Abend. Und in der Mitte der Woche, am Mittwochabend, sehe ich ihn. Meine Devise ist: Lieber jeden Arbeitstag in Berlin von morgens bis spätabends 150 Prozent geben, damit ich den Rücken frei habe, wenn ich in Schwerin bin.

Muss sich Ihr Mann wegen seiner Elternzeit in der Kita oder auf dem Spielplatz komische Sprüche anhören?

Mein Mann hat erlebt, dass manche am Anfang skeptisch reagiert haben. Das war schon 2007 so, als er nach Julians Geburt Elternzeit nahm. Damals waren gerade die Partnermonate eingeführt worden, das war noch neu. Jetzt war das für viele auch ungewöhnlich, dass er sich ein ganzes Jahr lang um unsere Tochter kümmern will. Aber in seinem Betrieb haben viele mitgeholfen, diese Auszeit gut vorzubereiten.

Gibt es auch positive Reaktionen?

Absolut. Immer häufiger sprechen ihn andere Männer an, sind interessiert, wie seine Erfahrungen sind, und beglückwünschen ihn. Es ist wichtig, dass es einfach mal auch Männer machen. Väter, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen, sind keine Schwächlinge, sondern starke Männer, die zeigen, dass neben der Berufstätigkeit auch die Familie wichtig ist. Mein Mann sagt gern: Es gibt kein Unternehmen, das pleitegegangen ist, nur weil ein Vater in Elternzeit gegangen ist. Da hat er recht.

Was können Väter eigentlich nicht, was Mütter können?

Ich finde die Vergleiche falsch. Ein Vater ist nicht eine Mutter zweiter Klasse. Unsere Erfahrung ist, dass sich beide gut um die Kinder kümmern können, dass man Dinge unterschiedlich, aber deshalb nicht schlechter macht.

Haben Sie schon Pläne für die Phase nach der Elternzeit?

Wir wollen, dass Julia dann in die Kinderkrippe kommt, so wie es auch bei unserem Sohn war. Wir hoffen, dass es mit einem Krippenplatz klappt. Unser Sohn geht in eine Schule mit Hort. Wir erleben selbst, wie angewiesen Familien auf diese Angebote sind. Deshalb ist es mir als Familienministerin auch wichtig, den Ausbau der Kinderbetreuung voranzubringen, nicht nur im Krippen- und Kindergartenalter, sondern auch wenn die Kinder in der Schule sind. Ich bekomme immer wieder Briefe von Eltern, die darüber klagen, dass ihr Kind zwar in der Kita war, aber dass nun in der Schule keine Nachmittagsbetreuung angeboten wird.

Viele Mütter tun sich schwer damit, die Kinder in die Verantwortung der Väter zu entlassen. Irgendwo ist da eine Stimme, die sagt: Eigentlich bin ich der bessere Schutz. Woher kommt das?

Mein Mann und ich sind beide so aufgewachsen, dass unsere Eltern berufstätig und gleichzeitig für uns Kinder da waren. Für uns war das selbstverständlich. Wir haben die partnerschaftliche Aufgabenteilung von Anfang an praktiziert, seit Julians Geburt. Wenn der Vater von Anfang an an Bord ist, ist es auch als Mutter einfacher loszulassen.

Ganz ehrlich: Haben Sie nicht manchmal trotzdem ein schlechtes Gewissen?

Wissen Sie was: Ich habe mich nach den drei Monaten gefreut, wieder nach Berlin zu fahren, mit meinem Team zu arbeiten und meine Themen nach vorne zu bringen. Aber natürlich vermisse ich meine Familie. Besonders am Anfang sind das große, gemischte Gefühle. Aber ich weiß, dass mein Mann bei den Kindern ist und es ihnen gut geht. Das ist sehr beruhigend.

Manche sagen, in Deutschland gebe es ein idealisiertes Mutterbild, das eine moderne Familienpolitik erschwere, Stichwort: Rabenmutter...

Die Rabenmutter-Debatte finde ich unerträglich. Wo sind wir denn? Wir leben im 21. Jahrhundert, und Frauen, die Kinder haben und arbeiten, müssen sich Vorwürfe anhören? Ich habe das übrigens selbst erlebt, auch jetzt nach der Geburt von Julia. In den sozialen Medien wurde ich als Rabenmutter und Egoistin beschimpft, mein Mann als Weichei. Ich bin überzeugt: Wenn ein Kind Mutter und Vater hat, sollte es doch selbstverständlich sein, dass auch der Vater Zeit mit dem Kind verbringt. Zum Glück gibt es aber überwiegend unterstützende Reaktionen.

Vor einiger Zeit hat eine Studie mit dem Titel „Regretting Motherhood“ für Aufsehen gesorgt. Es geht um Mütter, die es bereuen, Kinder bekommen zu haben. Verstehen Sie solche Frauen?

Natürlich gibt es Konflikte und Probleme, und jede Mutter kommt einmal an einen Punkt, wo sie erschöpft ist und nicht mehr kann. Bei allem Glück, dass man mit Kindern empfindet. Leider ist das Klima nicht so, dass viele darüber offen sprechen. Das liegt an den überzogenen Erwartungen an Mütter. Es geht aber nicht darum, perfekt zu sein. Ich würde mir deutlich mehr Gelassenheit in der Debatte wünschen.

Sind Sie als Familienministerin mit Ihrem Lebensmodell Vorbild für andere?

Mein Mann und ich treffen die Entscheidung, wie wir unser Familienleben gestalten, ganz privat, wie jede andere Familie auch. Aber mir ist natürlich bewusst, dass dies öffentlich wahrgenommen wird. Ich will anderen nicht vorgeben, wie sie zu leben haben. Als Familienministerin will ich Familien unterstützen, ihre eigenen Wünsche zu leben. Leider ist es immer noch so, dass es berufstätigen Müttern und Vätern schwergemacht wird, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Was kann die Politik tun, um die Arbeitswelt familienfreundlicher zu machen?

Es wird immer ein Spagat sein, Familie und Beruf zu vereinbaren. Aber wir können praktische Hilfe leisten, etwa durch den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen oder durch Leistungen wie das Elterngeld Plus, das eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit fördert. Aber wir brauchen noch mehr Anerkennung für die Eltern in der Arbeitswelt. Mit meiner Idee der Familienarbeitszeit könnten wir den Spagat erleichtern.

Was war das erste Vorhaben, das Sie nach Ihrer Rückkehr ins Ministerium angegangen sind?

Wir haben am Mittwoch im Kabinett ein neues Mutterschutzgesetz verabschiedet. In den vergangenen Wochen habe ich selbst noch einmal erlebt, wie wichtig die Wochen nach der Geburt für Mutter und Baby sind. Wir sorgen jetzt dafür, dass in Zukunft noch mehr Mütter Mutterschutz haben, auch Schülerinnen und Studentinnen. Auch erweitern wir den Mutterschutz für Frauen, die in einer besonderen Situation sind, etwa weil ihr Kind eine Behinderung hat, von acht auf zwölf Wochen nach der Geburt.

Und was steht noch an?

Mein nächstes großes Vorhaben ist das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit. Für mich ist es vollkommen inakzeptabel, dass wir im 21. Jahrhundert immer noch eine Lohnlücke zwischen Frauen und Männern haben, die bei 21 Prozent liegt. Das hat verschiedene Ursachen. Die müssen wir angehen. Dazu gehört auch Transparenz. In unserem Land ist es ein Tabu, über Löhne zu reden, und deshalb rechne ich hier mit noch mehr Widerstand als bei der Frauenquote.

Die Wirtschaft protestiert gegen den bürokratischen Aufwand.

Das ist ein Totschlagsargument, das immer wieder gebracht wird, wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen in der Arbeitswelt geht. Wir werden das gesetzlich regeln, das steht auch im Koalitionsvertrag. Ich sage ganz klar, ich bin offen dafür, über Instrumente zu reden, wie wir das hinbekommen. Aber ich lasse hier nicht locker. Ich akzeptiere nicht, dass man sich mit der Lohnlücke zufrieden gibt und nichts dagegen tut.

Der Bundestag hat vor Kurzem über die von Justizminister Heiko Maas geplante Reform des Sexualstrafrechts debattiert. Frauen aller Fraktionen haben gefordert, den Entwurf zu verschärfen. Unterstützen Sie das?

Ich unterstütze die Frauen im Parlament bei ihrem Vorhaben, das Sexualstrafrecht zu verschärfen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Justizminister und der Bundestag eine gute Lösung im Sinne der Frauen finden werden.

Manuela Schwesig ist Bundesfamilienministerin und Vizechefin der SPD. Die Diplomfinanzwirtin ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter.

Das Gespräch führten Cordula Eubel und Hans Monath.

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