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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Pressekonferenz in Berlin.
© Hannibal Hanschke/Reuters

Merkels letzte Sommer-Pressekonferenz: „Ich sage Dankeschön – es war mir eine Freude“

Angela Merkel hat ihre voraussichtlich letzte Sommer-PK gegeben. Es ging unter anderem um die Pandemie, die Unwetter sowie den Klimaschutz und Persönliches.

29. Mal saß Angela Merkel in der Bundespressekonferenz – am Donnerstag stellte sie sich dort zum voraussichtlich letzten Mal den Fragen der Journalistinnen und Journalisten in Berlin. Es ging um die großen Themen der Zeit, es war aber auch ein Rückblick auf ihre Amtszeit. Und ein paar persönliche Einblicke gab es auch.

Die CDU-Politikerin begann mit einer kurzen, traurigen Bilanz zu der Unwetterkatastrophe. „Wir trauern zum jetzigen Zeitpunkt um 170 Menschen“, sagte die Kanzlerin. Es gebe zudem große Schäden, die sich noch nicht genau beziffern ließen. Bund und Länder leisten Hilfe, aber: „Wir werden zur Behebung all dieser Schäden einen langen Atem brauchen“, sagte Merkel. Es gebe schreckliche Verwüstungen durch das Hochwasser.

Ziel sei eine gemeinsame Finanzierung der Flutschäden, sagte Merkel. Die Bundesregierung habe einen Betrag von 200 Millionen Euro für Soforthilfe zur Verfügung gestellt. In den nächsten Tagen und Wochen werde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber gesprochen, wie ein gemeinsamer Aufbaufonds organisieren werde.

In ihrem Eingangsstatement kam Merkel dann schnell zur Lage in der Pandemie. Das Robert Koch-Institut (RKI) entwickele angesichts der steigenden Zahlen aktuell Szenarien, ab wann wieder eine Überlastung des Gesundheitssystem drohe, erläuterte Merkel und sagte weiter: „Wir brauchen noch deutlich mehr Impfungen“

Fest stehe: „Eine Impfung schützt nicht nur Sie“, sagte Merkel mit Blick auf diejenigen, die zögern. „Werben Sie für den Impfschutz“, so Merkel. „Der Schlüssel, die Pandemie zu überwinden, da ist das einzige Mittel das Impfen“, sagte Merkel. „Jede Impfung zählt.“

Die Infektionszahlen stiegen wieder besorgniserregend, daher brauche man weiter Masken und Abstandsregeln. „Wir wollen alle unsere Normalität zurück.“ Dies gehe aber nur über das Impfen: „Je mehr geimpft sind, desto freier werden wir wieder sein“.

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Es könne nötig werden, dass die Länder wieder Maßnahmen ergreifen. Eine Vorverlegung der Ministerpräsidenten-Konferenz sei aktuell nicht vorgesehen, sagte Merkel. Sie sei aber offen, das zu machen, wenn es die Mehrheit der Ministerpräsidenten wolle. „Ich werde mich dem nicht verschließen“, sagte die Kanzlerin.

Klimapolitik wird schnell Thema

Eine der ersten Fragen bezog sich dann auf die Klimapolitik. „Ich habe sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben eingesetzt, dass wir zumindest diesen Weg gehen konnten“, erwiderte Merkel mit Blick auf das Pariser Abkommen und die CO2-Budgets der EU-Staaten.

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Zuvor habe es allerdings bei den internationalen Klimaverhandlungen – etwa beim Klimagipfel in Kopenhagen – auch „Enttäuschungen“ für sie gegeben. Gemessen an dem Ziel, unter zwei Grad Klimaerwärmung zu bleiben, seit nicht genug passiert“, sagte die Kanzlerin. Dennoch gelte: „Es ist einiges passiert, wir sollten nicht so tun, dass nichts passiert ist.“

„Das Tempo muss angezogen werden, das wird vielleicht mit den wohl tiefer gehendsten Änderungen einhergehen, die wir kennen.“ Es müsse darauf geachtet werden, möglichst viele Menschen auf diesem Weg mitzunehmen.

Persönliche Fragen an die Kanzlerin

Er wurden aber natürlich auch persönliche Fragen gestellt. Wo sie am Abend der Bundestagswahl sein werde, wird Merkel gefragt?.„Ich vermute im Umfeld der Partei, der ich nahestehe“, sagte sie und sorgte mit einem Nachsatz für Lacher. „Deren Mitglied ich bin, natürlich.“

Ob ihre ostdeutsche Herkunft ihr immer noch wichtig sei? „Ohne Herkunft keine Zukunft. Ich bin mit meinem Leben und meiner Biografie sehr im Reinen“, so die Kanzlerin. Diese biete gute Voraussetzungen für eine politische Laufbahn.

„Bundeskanzlerin kann man nicht werden, wenn man nicht weiß, wie es in der alten Bundesrepublik lief“, sagte Merkel und erinnerte daran, dass sie zum Beispiel nie in der alten BRD in die Schule ging. „Ich wünsche mir, dass es weiterhin ein großes Verständnis für Biografien aus der ehemaligen DDR geben wird.“

Sie habe immer versucht in Ost und West mit gleicher Stimme zu sprechen und nie unterschiedliche Positionen zu vertreten. „Das führt dazu, dass ich nicht immer allen gefallen habe, es war auch nicht immer ganz einfach.“

Merkel hofft auf Verständnis für Ostdeutsche

Sie erhoffe sich vom nächsten Kanzler weiterhin ein besonderes Verständnis für Ostdeutsche. Sie wünsche, „dass einfach ein großes Interesse für Biografien aus der ehemaligen DDR da ist“, sagte Merkel, die in der DDR aufgewachsen ist. Es gebe dort noch immer Verletzungen aus der Zeit der Wiedervereinigung.

Zu ihrem grundsätzlichen Politikverständnis erklärte Merkel: „Dass der Kompromiss etwas Konstitutives jeder Demokratie sein muss und nicht der Kompromiss als solcher schon etwas Schlechtes ist, mit einer schlechten Konnotation behaftet ist, das, finde ich, ist ein ganz, ganz wichtiger Kampf. Und den werde ich immer führen – dass der politische Kompromiss das Machbare ist und das Notwendige ist, um Gesellschaften zusammenzuhalten.“

Auf die Frage, was sie nach dieser vermutlich letzten Sommerpressekonferenz vermissen wird, antwortete die Kanzlerin: „Was man vermisst, merkt man meistens erst, wenn man's nicht hat.“ Ob sie mit Blick auf das absehbare Ende ihrer Amtszeit bereits wehmütige oder nostalgische Gefühle habe, sagte Merkel unter Lachern: „Ich werd' dann schon mit der Zeit was anfangen können.“

Wie machen Frauen Politik?

Auch Frauen in der Politik und Feminismus waren Thema. Ob sich ihre Haltung zu Frauen in den vergangenen 16 Jahren verändert habe und ob es deutliche Unterschiede dabei gebe, wie Männer und Frauen Politik machen, wurde die Kanzlerin gefragt. „Es sind nicht alle gleich, auch unter den Frauen und Männern nicht. es ist sehr schwer, da Charakteristika auszumachen“, wehrte Merkel ab. Dann aber ließ sie doch etwas durchblicken, als sie sagte: „Tendenziell gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz. Da gibt es auch Ausnahmen.“

Zur Frage vom Frauenanteil in Führungspositionen sagte Merkel, dass sie mit der Zeit gemerkt habe, dass „von selbst sehr wenig geht“. Die Unternehmen, die sich in Sachen Frauen in Vorständen nicht bewegten, hätten sie schon dazu gebracht, ihre Haltung zu überdenken und auf die Frauenquote zu pochen. „Das habe ich mir 1990, als ich in die Politik ging, einfacher vorgestellt“, gab die Kanzlerin zu.

Allgemein gebe es aber eine „große Veränderung in der Gesellschaft“. Sie freue sich, dass aus dem einst „Wickel-Volontariat“ genannten Elterngeld auch für Väter eine kleine Selbstverständlichkeit geworden sei.

Merkels Mini-Bilanz

Technische Probleme mit den Mikrofonen behinderten den Auftritt der Kanzlerin, die dann eine Art Mini-Bilanz ihrer Amtszeit zog, als sie gefragt wurde, ob sie das Wort „Krisen-Kanzlerin“ möge. „Es gibt immer Krisen, die ja auch Herausforderungen sind“, sagte sie darauf.

Dann ging sie nochmal kurz auf die größten Herausforderungen ein: Finanzkrise, Euro-Krise, Flüchtlingskrise, Pandemie. „Meine Amtszeit war schon durchzogen von solchen Ereignissen.“ Und weiter: „Was meine Amtszeit schon durchzogen hat immer, ist, dass wir halt nicht alleine mit nationaler Politik unsere Herausforderungen bewältigen können, sondern dass wir Teil einer Weltgesamtheit sind, und das ja auch das Thema, das wir bei Klima sehen.“

Kanzlerin sieht große Herausforderungen

Merkel betonte: „Wir alleine werden das Weltklima nicht verändern können. Wir alleine werden die Pandemie nicht bekämpfen können.“, sagte Merkel. Sie fügte hinzu: „Aber die Art und Weise, wie wir es machen, kann Beispiel sein für andere, dem zu folgen.“

Merkel machte auch deutlich, dass sie Deutschland bei der Modernisierung und Zukunftstechnologien vor großen Herausforderungen sieht. Sie verwies auf Erkenntnisse der Pandemie, aber auch das enorme Entwicklungstempo der USA bei Chip-Technologie. „Wir sind ein starkes Land“, sagte Merkel. Mit Blick auf die Digitalisierung erklärte sie aber: „Aber wir haben an einigen Stellen wirklich zu tun, um den hohen Standard, den wir haben, auch aufrechtzuerhalten.“ Um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, müsse die Forschungsquote auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gesteigert werden.

Merkel lobt Einigung bei Nord Stream 2

Natürlich wurde auch der Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2, bei der am Dienstag ein Durchbruch erzielt wurde, angesprochen. Merkel begrüßte hier die deutsch-amerikanische Einigung. „Die russische Seite hat mir gesagt, dass sie Energie nicht als Waffe einsetzen will“, fügte sie hinzu. „Wir sind nicht wehrlos.“

Merkel verwies darauf, dass notfalls auch Sanktionen gegen Russland verhängt werden könnten, sollte der Status der Ukraine als Gastransitland in Gefahr geraten. Die Kanzlerin räumte ein, dass Differenzen mit osteuropäischen Ländern über das Pipeline-Projekt nicht ausgeräumt, mit der deutsch-amerikanischen Einigung aber auch nicht zementiert worden seien.

Positiv wertete Merkel, dass nun Konditionen festgelegt worden seien, damit „die Ukraine Gas-Transitland bleibt“. Die Pipeline solle nicht dazu führen, „dass die Ukraine in eine schwierige Situation kommt“.

Es sei nun Aufgabe der Bundesregierung, für den Transit von russischem Gas durch die Ukraine längere Vertragslaufzeiten zu erreichen, sagte Merkel weiter. Zudem wolle Deutschland die Transformation in der Ukraine im Energiebereich unterstützen.

Merkel: Mein letzter Fehler ist „noch präsent“

Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft und der Kohle soll Merkel zufolge Erdgas noch eine Weile eine Rolle spielen. „Wir brauchen für eine Übergangszeit noch das Erdgas“, betonte Merkel. Die Nutzung stoße deutlich weniger CO2 aus als Kohle. Offen zeigte sie sich auch für sogenannten blauen Wasserstoff, der mit Erdgas erzeugt wird. Das CO2 wird dann unterirdisch gespeichert, was in Deutschland bisher nicht durchsetzbar war. „Ich neige dazu, dass nicht völlig auszuschließen.“

Was sie selbst als größtes Versäumnis sehe und worauf sie am stolzesten sei, wurde Merkel zum Abschluss gefragt. „Bilanzen sollen andere machen, aber ich freue mich, dass wir von fünf Millionen Arbeitslosen auf unter drei Millionen gekommen sind und eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit haben.“

Ihr letzter Fehler sei ja „noch präsent, das war die Osterruhe“, gab Merkel unumwunden zu. Nach rund 90 Minuten ging Merkels voraussichtlich letzter Auftritt in der Bundespressekonferenz dann zu Ende. Auf den Dank der Moderation erwiderte die Kanzlerin: „Ich sage auch Dankeschön. Es war mir eine Freude.“

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