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Unübersichtliche Fronten. Reguläre Truppen und regierungsnahe Milizen (im Bild) kämpfen in Somalia mit Hilfe ausländischer Truppen gegen Islamisten.
© AFP

Somalia: Hunger, Krieg und Seeräuber

Europa will somalische Piraten künftig auch an Land stellen, dort gibt es aber noch ganz andere Probleme.

Die Debatte, wie der Piraterie am Horn von Afrika am besten begegnet werden kann, hat erst nach der Verlängerung des Mandats für die Bundeswehr richtig eingesetzt. In der Europäischen Union wird offenbar darüber beraten, den Atalanta-Einsatz künftig auch auf den „Strand“ auszuweiten und dort Infrastruktur von Piraten zu zerstören. Gleichzeitig hat die Bundesregierung ihre Position zum Einsatz privater bewaffneter Sicherheitskräfte auf Handelsschiffen offenbar geändert. Der Sicherheitspolitiker Hans- Peter Uhl (CSU) sagte dem Tagesspiegel, dass die Staatssekretäre der beteiligten Ministerien eine Gesetzesnovelle vorbereiteten, um die „rechtliche Unklarheit“ beim Einsatz zu beseitigen.

Nach Angaben von Uhl haben das Innen-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium vor, die Bundespolizei zur Zertifizierungs- und Ausbildungsstelle für private Sicherheitsdienste zu machen. Bisher hat die Bundespolizei lediglich Reeder beraten, wie sie ihre Schiffe besser gegen Piraten schützen können und wie sich die Mannschaften im Falle eines Überfalls verhalten können. Künftig solle die Bundespolizei die Zuverlässigkeit der privaten Wachdienste sowie deren Belegschaften überprüfen, damit diese dann mit Waffen ausgestattet werden könnten.

Derweil geht der Krieg in Somalia weiter. Nachdem die kenianische Armee Mitte Oktober in den Süden Somalias einmarschierte, ist nun auch die äthiopische Armee wieder im Land. Am Wochenende nahmen äthiopische Truppen zwei Städte in Grenznähe ein und vertrieben die islamistische Miliz Al Schabaab von dort. 2005 war Äthiopien schon einmal in Somalia einmarschiert, zog sich dann aber sieglos wieder zurück. Kenia, das aktuell mit vielen wirtschaftlichen Problemen kämpft, hat vor drei Wochen seine Truppen der Friedenstruppe der Afrikanischen Union „Amisom“ unterstellt – offenbar, um Kosten zu sparen. Rund 9000 Amisom-Soldaten aus Uganda und Burundi versuchen seit 2007 die schwache und umstrittene Übergangsregierung in Mogadischu zu schützen. Im August war es den Truppen gelungen, Al Schabaab aus der Hauptstadt zu vertreiben. Allerdings wird seit einigen Tagen wieder gekämpft. Allein in den vergangenen zwei Wochen sind fünf humanitäre Helfer erschossen worden, die versuchten, die von den Folgen der Dürrekatastrophe betroffene Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen.

Die humanitäre Lage in Somalia ist trotz der millionenschweren Unterstützung aus aller Welt weiterhin schlecht. Zwar hat es in Somalia und im Norden Kenias inzwischen geregnet – Überschwemmungen waren die Folge. Bis die Viehherden wieder aufgebaut sind und die Felder eine erste Ernte bieten können, werden noch weitere Monate vergehen. Weiterhin sind rund 13 Millionen Menschen am Horn von Afrika auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Rund 1,5 Milliarden Dollar wollen die Vereinten Nationen in diesem Jahr für die hungernde Bevölkerung in Somalia ausgeben, sagte der UN-Koordinator für Somalia, Mark Bowden, vor wenigen Tagen. Im Dezember hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einem Besuch in Mogadischu angekündigt, das UN-Büro aus Nairobi in diesem Jahr in die somalische Hauptstadt zu verlegen.

Die Erkenntnis, dass nur eine Stabilisierung Somalias durch eigene staatliche Institutionen wie einer Küstenwache, einer Polizei und einer Justiz die Gesetzlosigkeit im Land beenden könnte, hat bisher zu keiner neuen Politik des Westens in Somalia geführt. Klar ist nur, dass das mehrfach verlängerte Mandat der Übergangsregierung im August auslaufen soll. Bis dahin soll ein Verfassungsentwurf vorliegen und eine Wahl vorbereitet werden. Al Schabaab dagegen hat zum Kampf gegen die „ausländischen Invasoren“ aufgerufen. Zwar hat die Miliz mit ihrem schlechten Management der Hungerkrise seit dem vergangenen Jahr deutlich an Zustimmung verloren, als sie Helfer aussperrte. Doch Militäreinsätze sind in Somalia extrem unpopulär und könnten den Islamisten neue Anhänger bringen.

Für Kenia hat sich der Somalia-Einsatz bisher jedenfalls nicht ausgezahlt. Zwar sind noch nicht sehr viele tote Soldaten zu beklagen, doch die Sicherheitslage im eigenen Land hat sich deutlich verschlechtert. Obwohl inzwischen vor jedem Einkaufszentrum und jedem größeren Restaurant Sicherheitschecks stattfinden, ist es Al-Schabaab-Sympathisanten ein dutzend Mal gelungen, Selbstmordanschläge in Kenia zu verüben, zuletzt im Nordosten in Garissa und Wajir nahe der Grenze zu Somalia. Und selbst im größten Flüchtlingslager der Welt Dadaab, wo 450 000 Somalier Zuflucht gefunden haben, ist vor wenigen Tagen ein Sprecher der Flüchtlinge erschossen worden.

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