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Mutter mit Kind in einer Flüchtlingsunterkunft in Medenine – der einzigen in Tunesien für illegale Migranten.
© AFP/Fathi Nasri

Die Grünen und die Asylpolitik: Humanität und Ordnung

In der Flüchtlingspolitik versuchen die Grünen einen schwierigen Spagat. Sie wollen, dass die Akzeptanz für das Asylsystem nicht verloren geht.

Wenn die Grünen über die Asylpolitik streiten, wird es schnell grundsätzlich. Als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Herbst 2014 im Bundesrat einem Asylkompromiss mit der Bundesregierung zur Mehrheit verhalf, sprach Ex-Parteichefin Claudia Roth von einem „schwarzen Tag“ für die Partei. Dass ausgerechnet ein Grüner sich bereit erklärte, drei Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen, empfanden viele Parteilinke als Verrat an den grünen Prinzipien. Kretschmanns Hinweis, es gebe dafür an anderer Stelle Verbesserungen für Flüchtlinge, half da auch nicht mehr.

Vier Jahre später stehen die Grünen wieder vor einer solchen Grundsatzfrage. Am Freitag beschäftigt sich der Bundesrat zum ersten Mal mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die drei Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko sowie Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären will. Auch dieses Mal hat Kretschmann Zustimmung signalisiert, doch in der Partei rumort es nicht mehr so laut. Das hat mehrere Gründe.

Widerstand gegen die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten

Zum einen ist Baden-Württemberg voraussichtlich das einzige Land mit grüner Regierungsbeteiligung, das zustimmen wird. Momentan, da sind sich viele Grüne sicher, würde das Gesetz am Widerstand der anderen grün-mitregierten Ländern scheitern, wenn auch nur mit der knappen Mehrheit von einer Stimme. Kretschmanns Votum würde also nicht dazu führen, dass am Ende in der Asylpolitik eine Regelung umgesetzt wird, welche die Bundespartei für falsch hält.

Bis der Bundesrat sich positionieren muss, dauert es allerdings noch. Im Bundestag steht das Nein der Grünen dagegen schon fest. „In den Maghreb-Staaten steht Homosexualität unter Strafe. So lange das der Fall ist, können wir sie, auch nach Maßgabe des Verfassungsgerichts, nicht zu sicheren Herkunftsländern erklären“, sagt Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Wenn ein Land pauschal als sicher eingestuft werde, führe das dazu, dass Asylanträge nicht mehr unvoreingenommen geprüft würden.

Dass Kretschmann – bei aller Kritik vieler Grüner am Instrument der sicheren Herkunftsstaaten – sich nicht mehr so schnell Verratsvorwürfe anhören muss, hat aber auch andere Gründe. Seit es vor vier Jahren zum Knall kam, hat in der Partei eine intensive Debatte über den Kurs in der Flüchtlingspolitik eingesetzt. Die Grünen versuchen dabei einen schwierigen Spagat: Einerseits verstehen sie sich als die einzige Kraft im Parlament, die sich klar für eine humane Flüchtlingspolitik ausspricht. Andererseits sehen sie zunehmend die Notwendigkeit, in der polarisierten Debatte für eine Akzeptanz des Asylrechts zu werben. „Humanität und Ordnung“ heißen die Stichworte, auf die sich die Grünen verständigt haben.

"Nicht alle, die kommen, können bleiben"

Deshalb blieb es auch nicht bei der grundsätzlichen Ablehnung der sicheren Herkunftsstaaten. Als die große Koalition vor zwei Jahren einen ersten Anlauf unternahm, die Maghreb-Staaten als sicher einzustufen, legten die Grünen einen Aktionsplan unter dem Namen „Fast and Fair“ vor. Bestandteil waren beschleunigte Asylverfahren und schnellere Rückführungen von abgelehnten Bewerbern. Und in Wahlprogrammen der Grünen finden sich mittlerweile auch Passagen zum ordnenden Teil der Flüchtlingspolitik. „Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar. Auch wenn nicht alle, die kommen, bleiben können“, heißt es etwa im Entwurf für das Europawahlprogramm. Die Grünen treten dort ein für ein Europa, „das Asylsuchenden ein faires Verfahren garantiert“, aber auch „seine Grenzen kontrolliert“. Voraussetzung für einen solidarischen Verteilmechanismus sei, „dass wir wissen, wer zu uns in die EU kommt“, auch „um zu verhindern, dass mögliche Terroristen und Straftäter untertauchen“, schreiben die Grünen dort.

Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Humanität und Ordnung – das bedeutet nach Ansicht der Partei, dass es in Kriegsgebiete wie Afghanistan keine Abschiebungen geben darf. Gleichzeitig sprechen Grünen-Politiker inzwischen offener an, dass es dieses Instrument geben muss. „Wenn ein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wird und es keine humanitären Abschiebungshindernisse gibt, führt dies zu einer Abschiebung in das Herkunftsland“, sagt die Bundestagsabgeordnete Amtsberg. Das sei Gesetzeslage. In der Abschiebepraxis müsse sich allerdings widerspiegeln, dass jede Abschiebung, „wenn auch legitim“, mit „großen menschlichen Härten“ verbunden sei.

Was die Abstimmung zu den sicheren Herkunftsländern im Bundesrat angeht, hofft Amtsberg, dass die Grünen das Gesetz dort noch stoppen können. Ein Risiko gibt es jedoch: Im Oktober wird in Hessen und in Bayern gewählt – und danach könnten die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat andere sein.

Cordula Eubel

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