Rücktritt Christine Haderthauer: Horst Seehofer verliert eine Kronprinzessin
Christine Haderthauer tritt als Chefin der Bayerischen Staatskanzlei zurück. Sie war wegen der "Modellauto-Affäre" seit Wochen unter Druck geraten. CSU-Chef Horst Seehofer stellte sich lange vor seine Allzweck-Ministerin.
Es war, sagen jetzt viele, nur eine Frage der Zeit, aber am Montagabend war die Zeit für Christine Haderthauer jedenfalls reif. Eine kurze Erklärung nur, dann ist eine Karriere vorbei: Sie habe sich entschlossen, als Chefin der Münchner Staatskanzlei mit sofortiger Wirkung zurückzutreten. Für sie habe es absolute Priorität, alle Fragen in der „Modellauto-Affäre“ zu beantworten, und das erfordere zu viel Kraft und Konzentration neben dem Amt. Keine fünf Minuten, dann ist sie weg. Und das gilt auch im weiteren Sinne: Das Königreich Bayern hat eine Kronprinzessin weniger.
Mehr als ein Naserümpfen war das in der CSU niemandem wert
Die Geschichte, die Haderthauer zu Fall bringt, war eigentlich seit langem bekannt. Das Ehepaar Haderthauer hatte seit den 90er Jahren die ungewöhnliche Begabung eines Dreifach-Mörders zur Basis eines privaten Geschäftsmodells gemacht. Der Mann, Insasse in der psychiatrischen Sicherungsverwahrung, baute für das anstaltsübliche Handgeld Modellautos, der Amtsarzt Hubert Haderthauer verkaufte die Nobelmodelle, die bei Liebhabern schon mal fünfstellige Beträge erzielten. Mehr als ein Naserümpfen war das in der CSU lange niemandem wert. Doch als ein früherer Geschäftspartner sich übervorteilt sah, kochte die alte Geschichte wieder hoch. Ende Juli nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, es geht um Untreue und den Verdacht auf Steuerhinterziehung.
Für etliche Parteifreunde war bald das Maß voll
Seehofer stellte sich damals vor seine Allzweck-Ministerin; noch vor zwei Wochen sagte er eine Entscheidung nach „rechtsstaatlichen Maßstäben“ zu - was immer das heißen sollte. Aber die Affäre war da längst vom rein Juristischen ins Charakterfach gewechselt. Die frühere Rechtsanwältin Haderthauer, von Erwin Huber als seine Generalsekretärin in die Politik gebracht, war immer von robuster Art, und so geriet auch ihre Selbstverteidigung. Spätestens als sie das Geschäft mit dem Häftling als Ausdruck von „Idealismus“ zu rechtfertigen suchte, war auch für etliche Parteifreunde das Maß voll - wobei man wissen muss, dass die Zahl ihrer Freunde schon vorher überschaubar war. Dass die Opposition mit einem Untersuchungsausschuss winkte, machte die Sache auch politisch zunehmend zur Belastung für Seehofer. Ein Ergebnis der juristischen Ermittlungen war nicht abzusehen, Entlastung nicht in Sicht, im Gegenteil: Am 16. September sollte der Landtag sich in einer Sondersitzung exklusiv mit der Frau Staatsministerin beschäftigen.
"Vollstes Vertrauen" von Seehofer
Aber eine Statthalterin unter Dauerbeschuss und -beobachtung ist so ungefähr das Letzte, was Seehofer brauchen kann. Seit der ernüchternden Europawahl steht der CSU-Chef unter Erfolgszwang. Doch statt Erfolgen erlebt er Berliner Rempeleien gegen die Maut und muss wehrlos grimmig mit ansehen, wie die deutsche Außenpolitik ohne die CSU umgekrempelt wird – den Grundsatzbeschluss über Waffenlieferungen an irakische Kurden haben CDU- und SPD-Minister ohne den kleinsten Koalitionspartner ausgemacht.
Dass sie ihm bei alledem nicht Hilfe, sondern zusätzliche Belastung war, muss Haderthauer selbst klar gewesen sein. Ob trotzdem noch ein Wink vonnöten war, ist unklar; Haderthauer selbst betont jedenfalls, sie habe den Rücktritt angeboten, in einem „freundschaftlichen Gespräch“. Seehofer zollt ihr wenig später schriftlich Respekt, und dass sie in ihren Ämtern als Sozial- und Staatskanzlei-Ministerin immer sein „vollstes Vertrauen“ gehabt habe, und dass weiterhin die Unschuldsvermutung gelte und alle die respektieren müssten. Aber ob es zu einem Strafverfahren kommt oder nicht, ist ab jetzt ja nur noch Privatsache.