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Eine Frau nimmt aufgrund der Ausbreitung des Coronaviruses aus ihrem Wohnzimmer an einer Telefonkonferenz teil.
© Sebastian Gollnow/dpa

Die Heimarbeits-Falle: Home sweet home? Eher nicht!

Das einklagbare Recht, dauerhaft daheim arbeiten zu können, wird am Ende eher den Arbeitgebern nützen als den Arbeitnehmern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Haben die Sozialdemokraten ihre Finger wirklich am Puls der Zeit? Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Coronakrise genutzt, um einmal mehr das Recht auf Heimarbeit, also das Homeoffice, zu propagieren. Er hat ein Gesetz dazu angekündigt.

In der Hoffnung natürlich, dass das der SPD nutzt. Damit Millionen Deutsche in einigen Jahren sagen werden, 2020 habe die schöne neue Arbeitswelt begonnen, in der man nicht mehr gezwungen ist, in öden Büros zu arbeiten, auch noch mit Kollegen, sondern frisch, fromm, fröhlich, frei daheim – im Wohnzimmer, der Küche, dem Arbeitszimmer (so man eines hat), auf dem Balkon (so man einen hat).

Von einer „echten Errungenschaft“ sprach Finanzminister Olaf Scholz, hinter die man nicht mehr zurückfallen dürfe.

Wenn sie sich damit mal nicht täuschen. Und auch all jene nicht, die sofort Beifall klatschten. Die Grünen etwa, deren Klientel mutmaßlich in großer Mehrheit zu Hause recht gute Arbeitsbedingungen hat. Oder die FDP, die sich in ihrem Drang zur Durchdigitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft auch von Ochs und Esel nicht aufhalten lassen will.

Homeoffice: Für die einen toll, für andere nicht

Aber dass die Arbeitgeber mit Skepsis reagierten, und in deren Fahrwasser die Union – ist das andererseits nicht Bestätigung genug, wie toll die Idee eines Rechts auf Heimarbeit ist? Natürlich kann es in der aktuellen Situation vor allem für Arbeitnehmer mit Kindern günstig sein, wenn es die Möglichkeit für das Homeoffice gibt.

Und zweifellos wird die Coronakrise hier eine Veränderung der Arbeitswelt voranbringen. Was manchen mit Blick in die weitere Zukunft des Arbeitens besser zu gefallen scheint, Jüngeren vor allem, anderen allerdings nicht unbedingt als glückliche Entwicklung gilt, unter ihnen wohl eher die Älteren, die eben dem traditionellen Arbeiten in Betrieben stärker verhaftet sind.

[Mehr zum Thema: Lesen Sie an dieser Stelle die tägliche Tagesspiegel-Homeoffice-Kolumne]

Doch warum muss es in diesem Prozess, der ja längst begonnen hat, ein einklagbares Recht auf Homeoffice geben? Denn Heils Vorschlag ist, so schön er klingt, die Vorlage für jedes Unternehmensmanagement, das Recht des Arbeitnehmers in ein Recht des Arbeitgebers umzudeuten.

So könnte schon bald in den Betrieben die Frage umgehen: Warum wollen Sie Ihr Recht denn nicht wahrnehmen? Mehr oder weniger sanfter Druck, sich auf etwas einzulassen, was man nicht unbedingt will, ist ja nichts Ungewöhnliches in Betrieben.

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Zwiespältige Corona-Zeit

Die Corona-Zeit hat hier etwas Zwiespältiges. Einerseits zeigt sie vielen Unternehmen, wie gut ein Homeoffice-Betrieb klappt. Man darf annehmen, dass jetzt viele Arbeitgeber ausrechnen, ob mehr Heimarbeit sich rentiert, weil man weniger Bürofläche braucht.

Andererseits hat die Coronakrise nicht wenigen Arbeitnehmern auch deutlich gemacht, dass das Arbeiten daheim seine Nachteile hat. Und die lassen sich gesetzlich nicht einfach wegregulieren.

Man sollte auch davon ausgehen, dass im Recht auf Homeoffice die Gefahr lauert, ganze Belegschaften zu spalten.

Zudem ist damit zu rechnen, dass eine eher unangenehme Folge der Digitalisierung - eine größere Vereinzelung in der Gesellschaft, soziale Medien hin oder her - durch vermehrte Homeoffice-Arbeit verstärkt wird. Ein Konfliktpotenzial deutet sich jedenfalls an: Der vermeintliche Arbeitnehmer-Traum wird tatsächlich zur Arbeitgeber-Vision.

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